Diskussionen zur Migrationspolitik zwischen EU-Innenministern in Brüssel
In den ersten sechs Monaten des Jahres verzeichnete Europa einen drastischen Anstieg bei der Migration, mit so vielen Asylbewerbungsverfahren wie seit 2016 nicht mehr. In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 204.461 Anträge gestellt, was nur knapp unter den Gesamtzahlen des Vorjahres (217.774) liegt. Angesichts dieser Entwicklung haben sich die Innenminister der Europäischen Union heute in Brüssel versammelt. In der EU wird schon länger über eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gestritten — bislang ohne Erfolg. Heute sollen die letzten Probleme aus dem Weg geräumt werden.
Ein zentraler Diskussionspunkt auf der Agenda ist die Krisenverordnung, die vorsieht, dass Asylbewerbende an den EU-Außengrenzen abgewiesen werden und es dort mehr Asylzentren geben soll. Staaten sollen „freiwillig, aber verbindlich” Geflüchtete aufnehmen — Staaten, die das nicht tun, sollen entweder Sachleistungen erbringen oder Geld zahlen. Da die Migranten damit voraussichtlich längere Zeit in gefängnisähnlichen Bedingungen festgehalten würden, stieß dieser Vorschlag bei den Grünen auf Kritik, was zu Spannungen in der deutschen Regierungskoalition führte.
Widerstand und deutsche Zurückhaltung
Allerdings gibt es eine ganze Reihe Länder, die die Reform aus anderen Gründen zurückhalten, die nichts mit den grundlegenden Menschenrechten bei der Migrationspolitik zu tun haben. Insbesondere osteuropäische Länder, wie Ungarn und Polen, lehnen die Reform vehement ab. Sie argumentieren, dass dies die Souveränität ihrer Länder einschränken und die Verantwortung auf einige wenige Mitgliedstaaten verteilen würde.
Es bleibt jedoch die Frage, ob in den umstrittenen Punkten zwischen den EU-Ländern eine Einigung erzielt werden kann. Eine mögliche Alternative könnte darin bestehen, Geldleistungen als Ersatz für die Aufnahme von Flüchtlingen anzubieten, was den Verhandlungsspielraum für einen Kompromiss erweitern würde. Sollte die Reform jedoch nicht auf EU-Ebene umgesetzt werden, würde dies dazu führen, dass sehr unterschiedliche nationale Migrationspolitiken die Binnenmigration innerhalb der EU fördern würden. Dies könnte zu einer Verschärfung der stationären Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen führen, was den Schengenraum gefährden würde.
Wohin steuern Deutschland und EU in Sachen Asyl und Migration? Das fragt detektor.fm- Moderator Johannes Schmidt den Politikwissenschaftler Prof. Dr. Oliver Lembcke. Zu hören in der heutigen Folge des Podcasts „Zurück zum Thema“.