Eindeutiges Wahlergebnis
Es war ein historischer Moment für Chile: Am Sonntagabend sind die Ergebnisse des Referendums bekannt gegeben worden. Fast 80 Prozent der Chilenen und Chileninnen haben für eine neue Verfassung gestimmt. Die aktuelle stammt nämlich noch aus der Zeit der Pinochet-Diktatur. Durch sie ist das neoliberale Wirtschaftssystem in Chile gesetzlich verankert. Bildung, Gesundheit, Renten und sogar Wasser sind privatisiert.
Viele sehen in der Diktatur-Verfassung daher einen Grund für die starke soziale Ungleichheit in dem südamerikanischen Land. Dass Chile jetzt eine neue Verfassung bekommt, ist ein Ergebnis der landesweiten Protestbewegung: Seit Oktober 2019 sind Millionen Menschen in ganz Chile auf die Straße gegangen und haben mehr soziale Gerechtigkeit gefordert.
Erster Schritt auf einem langen Weg
Chiles neue Verfassung soll durch ein Gremium aus Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet werden. Das Gremium soll zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern bestehen und im April 2021 gewählt werden. Ob die neue Verfassung tatsächlich mehr soziale Gerechtigkeit bringt, ist allerdings noch unklar.
Denn zur Verabschiedung jedes einzelnen Artikels ist eine Parlaments-Mehrheit von zwei Dritteln notwendig. Traditionell bekommen die rechten Parteien etwa ein Drittel der Stimmen. Somit könnten sie grundlegende Reformen verhindern. Viele Menschen in Chile blicken dem verfassungsgebenden Prozess daher nicht nur mit Freude, sondern auch mit Skepsis entgegen.
Wie viel Diktatur noch in der aktuellen chilenischen Verfassung steckt, darüber hat detektor.fm-Moderatorin Lara-Lena Gödde mit Stefan Rinke gesprochen. Er lehrt Lateinamerikanische Geschichte an der Freien Universität in Berlin und beschäftigt sich insbesondere mit der Geschichte Chiles. Sophia Boddenberg arbeitet als freie Journalistin in Santiago de Chile. Sie erklärt, welche Bedeutung das Referendum für die Menschen in Chile hat.