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Foto: Pedro Ugarte/AFP
Bild: Pedro Ugarte | AFP

Zurück zum Thema | Verfassung in Chile

Löst sich Chile vom Erbe der Diktatur?

Chile bekommt eine neue Verfassung. In einem Referendum hat die Mehrheit der Bevölkerung dafür gestimmt. Die alte Verfassung stammt nämlich noch aus der Zeit des Pinochet-Regimes. Kann Chile nun mit dem Erbe der Diktatur abschließen?

„Zurück zum Thema“ bei Daily Drive

Eindeutiges Wahlergebnis

Es war ein historischer Moment für Chile: Am Sonntagabend sind die Ergebnisse des Referendums bekannt gegeben worden. Fast 80 Prozent der Chilenen und Chileninnen haben für eine neue Verfassung gestimmt. Die aktuelle stammt nämlich noch aus der Zeit der Pinochet-Diktatur. Durch sie ist das neoliberale Wirtschaftssystem in Chile gesetzlich verankert. Bildung, Gesundheit, Renten und sogar Wasser sind privatisiert.

Viele sehen in der Diktatur-Verfassung daher einen Grund für die starke soziale Ungleichheit in dem südamerikanischen Land. Dass Chile jetzt eine neue Verfassung bekommt, ist ein Ergebnis der landesweiten Protestbewegung: Seit Oktober 2019 sind Millionen Menschen in ganz Chile auf die Straße gegangen und haben mehr soziale Gerechtigkeit gefordert.

Es geht darum, Chile noch einmal neu demokratisch zu gründen. Das Ende der Diktatur war ein großer Wendepunkt. Aber durch die alte Verfassung blieben Grundprobleme erhalten, die das demokratische Fundament dieses Staates von innen heraus infrage stellen.

Stefan Rinke, Historiker und Autor von „Kleine Geschichte Chiles“

Stefan Rinke, Historiker und Autor von "Kleine Geschichte Chiles"

Erster Schritt auf einem langen Weg

Chiles neue Verfassung soll durch ein Gremium aus Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet werden. Das Gremium soll zu gleichen Teilen aus Frauen und Männern bestehen und im April 2021 gewählt werden. Ob die neue Verfassung tatsächlich mehr soziale Gerechtigkeit bringt, ist allerdings noch unklar.

Denn zur Verabschiedung jedes einzelnen Artikels ist eine Parlaments-Mehrheit von zwei Dritteln notwendig. Traditionell bekommen die rechten Parteien etwa ein Drittel der Stimmen. Somit könnten sie grundlegende Reformen verhindern. Viele Menschen in Chile blicken dem verfassungsgebenden Prozess daher nicht nur mit Freude, sondern auch mit Skepsis entgegen.

Die Menschen auf den Straßen fordern, dass die sozialen Grundrechte einen höheren Stellenwert erhalten sollten als private Eigentumsrechte. Das wird der große Kampf der Rechten und der Regierung sein: dass sie versuchen, dieses Prinzip nicht zu verändern.

Sophia Boddenberg, freie Journalistin in Santiago de Chile

Sophia Boddenberg, freie Journalistin in Santiago de ChileFoto: Michell Moreno

Wie viel Diktatur noch in der aktuellen chilenischen Verfassung steckt, darüber hat detektor.fm-Moderatorin Lara-Lena Gödde mit Stefan Rinke gesprochen. Er lehrt Lateinamerikanische Geschichte an der Freien Universität in Berlin und beschäftigt sich insbesondere mit der Geschichte Chiles. Sophia Boddenberg arbeitet als freie Journalistin in Santiago de Chile. Sie erklärt, welche Bedeutung das Referendum für die Menschen in Chile hat.

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