Eine Republik nach westlichem Vorbild
Im Jahr 1923 hat der türkische General Kemal Atatürk die moderne Republik gegründet. Die Idee: Die Türkei sollte zu den westlichen Großmächten Europas aufschließen. Als Vorbild diente dabei unter anderem Frankreich. Die junge Republik hatte den Laizismus — die eindeutige Trennung von Kirche und Staat — zur Staatsgrundlage. Außerdem sollte es in der Türkei politisch und sprachlich nur ethnisch türkische Menschen geben. Damit ging die Unterdrückung von religiösen und nationalen Minderheiten einher. Die größte ethnische Minderheit in der Türkei sind die Kurdinnen und Kurden. Sie machen bis zu 20 Prozent der Bevölkerung aus. Bis heute werden sie in der Türkei in vielen Bereichen unterdrückt. Das türkische Militär hat zudem die kurdischen Regionen in Nordsyrien und im Nordirak in den vergangenen Jahren immer wieder bombardiert. Auch in den letzten Tagen hat die Türkei zivile Infrastruktur in Nordsyrien (auf Kurdisch: Rojava) bombardiert und dabei Berichten zufolge 80 Prozent der zivilen Infrastruktur zerstört.
Die Türkei und der Westen — mehr Zweck- als Wertegemeinschaft?
Seit der heutige türkische Präsident Erdoğan — zuerst noch als Ministerpräsident — in Ankara an die Macht gekommen ist, hat sich das Land stark verändert. Erdoğan sieht sich als Gegenentwurf zu Atatürk und möchte aus der laizistischen Republik wieder einen islamischen Staat machen. Er grenzt sich durch seine politische Haltung von Westeuropa ab. In einer Rede vor einigen Tagen sagte er beispielsweise, die Hamas sei keine Terrororganisation, sondern eine Befreiungsgruppe.
Die Abgrenzung zum Westen habe auch etwas mit den europäischen Staaten wie Deutschland selbst zu tun, so der Journalist und Erdoğan-Kritiker Can Dündar. So zieht sich der EU-Beitrittsprozess der Türkei bereits über 60 Jahre.
Wie steht es um die Demokratie in der Türkei? Und welche Pläne hat Erdoğan für das Land? Über diese Fragen spricht detektor.fm-Moderator Lars Feyen in dieser Folge von „Zurück zum Thema“ mit Can Dündar. Er ist türkischer Journalist, ehemaliger Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet und lebt im Exil in Berlin.
Gerade hat er sein Buch „Die rissige Brücke über den Bosporus“ über die Türkische Republik und ihr Verhältnis zum Westen veröffentlicht. Das Buch ist bei Galiani Berlin erschienen.