Ab wann beginnt die Gier?
Sind wir nicht alle wirtschaftliche Subjekte, die ihren Gewinn maximieren wollen? Wie kann man dann festlegen, ab wann jemand gierig ist?
Heute würden wir sagen: Der Raub jüdischen Eigentums in der Nazizeit war klar Gier. Doch die jeweiligen politischen Gegebenheiten und das gesellschaftliche Klima haben schon immer beeinflusst, ab wann etwas als Gier galt und wann nicht. Im Nationalsozialismus war es im Grunde erlaubt, gierig zu sein und sich bei jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn zu bedienen. Ob man zum Dieb wurde, entschied da nur noch die eigene Moral.
Geschichten der Gier
Eine Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg widmet sich genau diesen Geschichten. Wenn Menschen immer mehr wollen und schließlich vergessen, welche Konsequenzen ihr Handeln haben kann. Eine besonders berüchtigte Geschichte: FlowTex und der Fall des einstigen Vorzeigeunternehmers Manfred Schmider. Er hatte unbemerkt jahrelang Banken, Leasing-Gesellschaften und Wirtschaftsprüfer getäuscht, indem er große Bohrmaschinen verkauft hat, die fast alle nur auf dem Papier existierten. 2000 flog Schmider schließlich auf und wurde zu elfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Rainer Schimpf sagt, bei den wenigsten Menschen ist gieriges Verhalten vorprogrammiert. Viele haben Anfangs vielleicht gar keine schlechten Absichten.
„Gier. Was uns bewegt“ ist noch bis zum 19. September in Stuttgart zu sehen. Durch die Corona-Pandemie hatte die Ausstellung drei Monate ohne Besucherinnen und Besucher im „Haus der Geschichte“ gestanden. Aktuell kann man die Ausstellung nach vorheriger Anmeldung besuchen.
In dieser Ausgabe des brand-eins-Podcasts spricht detektor.fm-Moderator Christian Bollert mit dem Ausstellungsleiter Rainer Schimpf über die Gier und die kuriosen Geschichten, die sie hervorbringt.