Es war eine Aktion, wie es sie schon lange nicht mehr gab. Rund 1.000 Aktivisten haben am Wochenende das Gelände des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler in Nordrhein-Westfalen gestürmt. Die Polizei ging mit Pfefferspray und Schlagstöcken gegen die Aktivisten vor und stellte gegen knapp 800 von ihnen Strafanzeige. Alle drei Bagger in dem 30 Quadratkilometer großen Gelände seien zeitwilig zum Erliegen gekommen, heißt es. Genau das war eines der Ziele des Bündnisses „Ende Gelände“, das zu dem zivilen Ungehorsam aufgerufen hatte. Im benachbarten Immerath gingen rund 800 Menschen auf die Straße und demonstrierten friedlich gegen den Tagebau.
Eine alte Branche
In Deutschland gibt es drei große Braunkohle-Abbau Regionen: Das Rheinische Braunkohlerevier, das Mitteldeutsche Revier und das Lausitzer Revier. In Deutschland wird Braunkohle schon seit dem 19. Jahrhundert gefördert. Zunächst wurde sie nur als Heizbrikett benutzt. Erstmals Strom aus ihr wurde 1900 im ersten Braunkohlekraftwerk im rheinischen Abbaugebiet erzeugt. Sehr bald stieg auch das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) mit ein.
Folgen für Mensch und Umwelt
Die Bagger machen vor Dörfern oder Siedlungen keinen Halt. Immer wieder werden Orte versetzt. Was schlichtweg bedeutet, dass das Alte abgerissen und woanders neu aufgebaut wird. Dieser „Devastierung“ sind schon etliche Kirchen und Schlösser zum Opfer gefallen. Im rheinischen Revier ist die Kirche von Immerath als nächstes dran, 2016 sollen die Bagger kommen. Der Tageabbau Garzweiler II soll ausgeweitet werden. Derzeit hat er eine Größe von 30 Quadratkilometern. Abgebaut werden soll bis zu der Größe von 48 Quadratkilometern. Das wären 6500 Fußballfelder.
Menschen wird aber nicht nur ihre Heimat genommen. Während des Abbaus wird auch die Grundwassergewinnung geschädigt. Und ob Renaturierungsmaßnahmen nach der Ausbeutung helfen, darüber gibt es bisher noch keine genauen ökologischen Daten. Fest steht aber, dass die Renaturierung mindestens mehrere Jahrzente dauert.
Etwa das Äquivalent von einem mittleren Aplengletscher, der pro Jahr als Ergebnis der deutschen Braunkohleverstromung abgeschmolzen wird. – Jörg Haas, Pressesprecher campact.
Schauplatz Rheinisches Revier
Die Kritik um den Tageabbau Garzweiler II, der auch Ort der Aktion vom Wochenende war, ist seit Jahrzehnten groß. Garzweiler I gibt es bereits seit 1983. Vier Jahre später wurde der Abbau von Garzweiler II beantragt. Der Name geht auf das Dorf zurück, das dem Braunkohleabbau weichen musste. Der Abbau wurde genehmigt.
Zehn Jahre später aber wird Garzweiler II der rot-grünen Koalition im Landtag in Düsseldorf fast zu Verhängnis. Die Grünen hatten gegen die Genehmigung geklagt. Die Klage wurde abgewiesen. Einige Grüne hatten den Ausstieg aus der Koalition gefordert, solle der Abbau trotzdem genehmigt werden. Der damalige Ministerpräsident Rau ließ sich davon nicht beeindrucken, genehmigte den Abbau und die Grünen gaben klein bei. Seit 2006 wird nun in Garzweiler II Braunkohle abgebaut.
Über die Forderungen der Aktivisten und die Folgen für die Region hat detektor.fm- Moderatorin Constanze Müller mit Jörg Haas gesprochen. Er ist Pressesprecher der Organisation campact.
Redaktion: Maren Schubart