Die deutsche Wirtschaft wächst, trotz Mindestlohn und Rentenplänen. Das geht aus dem Frühjahrsgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute hervor. Auch das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist vom Wirtschaftswachstum betroffen. Das BIP misst den Wert aller Waren und Dienstleistungen, doch viele Experten sind sich einig: Es stellt den Wohlstand einer Bevölkerung nicht richtig dar und berücksichtigt manche inzwischen wirtschaftlich relevant gewordene Faktoren wie Umweltbelastung nicht.
„Aktualisierung“ des BIP
Deswegen wird das Bruttoinlandsprodukt ab September neu berechnet. Die wichtigste Änderung: Gelder, die für Forschung und Militär ausgegeben werden, gelten zur Zeit noch als reine Ausgaben bzw. „Staatskonsum“. Ab September sind diese Ausgaben dann formal gesehen Investitionen – und wirken sich positiv auf die Statistiken aus: Laut Eurostat erhöht sich dadurch das Bruttoinlandsprodukt in der Eurozone um durchschnittlich zwei Prozent. Und das allein durch eine neue Art zu rechnen.
Statistik-Schummelei oder tatsächliche Aussagekraft?
Durch die neuartige Berechnung des BIP sinkt auch die Schuldenquote, also das Verhältnis zwischen Staatsschulden und BIP. Auch in anderen Kontinenten wird neu gerechnet und das sorgt für teils enorme Sprünge: Nigeria beispielsweise hat sein BIP fast verdoppelt und damit Südafrika „überholt“. Hat das eine Bedeutung oder sind das nur leere Zahlen ohne Aussagekraft?
Darüber haben wir mit Ferdinand Fichtner gesprochen. Er ist Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.
Deswegen würde ich sagen, das Bruttoinlandsprodukt ist in seiner jetzigen Form schon eine gute Variable, aber man muss sich immer auch der Unzulänglichkeit dieser Variable […] bewusst sein. – Ferdinand Fichtner