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Bei Schichtwechsel wollen die Opel-Mitarbeiter am Werkstor nichts mehr zu ihrer Zukunft sagen. Seit einem Jahr schweben sie zwischen Hoffen und Bangen. Horrormeldungen haben sich mit Versprechen über den vollständigen Erhalt aller 1800 Arbeitsplätze abgewechselt, manchmal im Wochenrhythmus. Heute hat Opel-Vorstand Reinald Hoben die Pläne von General Motors verkünden, wie die europäische Tochter wieder ins Rollen gebracht werden soll. Die gute Nachricht für alle Beschäftigten: In Eisenach werden keine Arbeitsplätze gestrichen.
Durch intelligente Anwendung der Kurzarbeit muss keiner gehen (Harald Lieske, Opel-Betriebsrat)
„Wir werden kommendes Jahr einen Überhang am Stellen haben. Aber durch intelligente Anwendung der Kurzarbeit muss keiner gehen“, sagte der Chef des Eisenacher Betriebsrates, Harald Lieske. Während Produktionsvorstand Hoben den Thüringer Beschäftigten das Sanierungskonzept vorstellte, war GM-Europachef Nick Reilly in die Zentrale nach Rüsselsheim gekommen. Er gab den Werken in Rüsselsheim, Bochum und Kaiserslautern eine Bestandsgarantie. Auch für das kleinste Werk in Thüringen hatte Reilly eine Zusage im Gepäck. Die Fertigung am kleinsten deutschen Opel-Standort mit rund 1700 Beschäftigten sei „hocheffizient“. Zwar schreibe Eisenach derzeit rote Zahlen. Dies liege aber an der momentanen Situation auf dem weltweiten Automarkt. In Eisenach sei deswegen die Produktion zurückgefahren worden. Ab 2012 jedoch werde die Fertigung in Thüringen nach derzeitiger Planung wieder voll laufen, berichtete Reilly.
Trotzdem wird GM nicht umhinkommen, Arbeitsplätze wegfallen zu lassen. Europaweit sollen insgesamt bis zu 9500 Jobs gestrichen werden. Das Werk in Antwerpen wird dem Sparkurs vermutlich zum Opfer fallen. Nachdem General Motors nun auf eine sanfte Rhetorik umgeschwenkt hat, sind auch die Gewerkschaften zum Dialog bereit. Arbeitnehmervertreter Klaus Franz erklärte, ab jetzt werde gemeinsam verhandelt und nicht mehr gegeneinander. Dafür hatte der Autoriese noch einige Bonbons dabei. Nicht nur, dass der Autobauer entgegen den ursprünglichen Planungen nicht länger von lukrativen Märkten wie den USA oder China ausgeschlossen sein soll. Zudem will GM nun doch auf den geplanten Stellenabbau im Technischen Entwicklungszentrum am Stammsitz verzichten. Nach Angaben der Arbeitnehmerseite wollte die Opel-Mutter im Entwicklungszentrum, das als Kronjuwel von Opel gilt, bisher knapp 550 Stellen streichen.
Die IG-Metall will nun ihrerseits an die Vereinbarungen anknüpfen, die bereits für den abgeblasenen Magna-Deal ausgehandelt worden waren. Ursprünglich sollten die Opel-Beschäftigten für den Fall, dass der Zulieferer Magna einsteigt, auf Weihnachtsgeld sowie eine bereits beschlossene Tariferhöhung von 4 Prozent mehr Lohn verzichten. Die Detroiter Führung um Verwaltungsratschef Ed Whitacre hatte den Verkauf aber plötzlich gestoppt. Whitacre ist der neue starke Mann bei GM. Anfang der Woche setzte er den bisherigen CEO Fritz Henderson vor die Tür und inthronisierte sich selbst auf dem Chefposten.
Ob „Big Ed’s“ Plan aufgeht, bei Opel umweltfreundliche Modelle für den ganzen US-Autoriesen zu entwickeln, gilt in der Branche als äußerst ambitioniertes Ziel. Für die Sanierung der Rüsselsheimer Tochter hat GM 3,3 Milliarden Euro veranschlagt. Den dicksten Anteil, nämlich 2,7 Milliarden Euro, wollen die Amerikaner bei den Europäischen Ländern mit Opelwerken einsammeln. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) reagierte schockiert auf das ihm vorgelegte Konzept. Das Papier sei absolut keine Verhandlungsgrundlage. Der Wirtschaftsminister steht wie seine Partei weiteren Opel-Hilfen sehr skeptisch gegenüber, da GM die Bundesregierung durch die Entscheidung gegen Magna, offensichtlich brüskiert hatte. Selbst wenn Berlin weitere hunderte Millionen an Rettungskapital bewilligt, heißt das nicht, dass Opel über den Berg kommt. Die Entwicklung neuer Autos kostet viel Geld und geht pro Modell in die Milliarden. Geld, dass weder Opel noch GM haben. Außerdem, so bleibt zu befürchten, hängt die Marke mit dem Blitz nun noch stärker an der kurzen Leine. Opel braucht jedoch mehr Autonomie und vor allem die Rechte an den eigenen Patenten. Als GM im Herbst vor dem völligen Zusammenbruch stand, waren diese bereits verpfändet.