Bis 2050 sollen 60 Prozent der in Deutschland verbrauchten Energie aus erneuerbaren Quellen kommen, beim Strom sollen es sogar 80 Prozent sein. Mit Sonnen-, Wind- und Wasserkraft allein wird das schwer, deshalb suchen Ingenieure und Wissenschaftler nach neuen Möglichkeiten, Energie zu erzeugen.
Forscher in Hamburg wollen jetzt Strom und Wärme aus Toilettenabwasser gewinnen. Dazu statten sie das Neubaugebiet Jenfelder Au mit neuartigen Vakuumtoiletten aus, ähnlich wie im Flugzeug oder in der Bahn.
Aus dem konzentrierten Abwasser der Vakuumtoiletten lässt sich Biogas gewinnen. Daraus wiederum erzeugt ein Blockheizkraftwerk Strom und Wärme für das gesamte Wohngebiet.
Wie das möglichst effektiv geht, daran forscht Ina Körner vom Institut für Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz der TU Harburg.
Außer den herkömmlichen Wasserklosetts würde sie am liebsten auch noch die Biotonne in der Küche abschaffen. Für den Verbleib des Biomülls hat sie eine viel bessere Idee.
Welche, erklärt Ina Körner im Beitrag.
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Der Beitrag zum Mitlesen
Mit jeder Toilettenspülung schicken wir literweise sauberes Wasser auf den Weg zur Kläranlage. Doch nicht nur um das Wasser ist es schade. Auch was wir vorher in der Schüssel hinterlassen, könnte man besser verwerten. Nämlich um daraus Energie zu gewinnen. Bei einem Modellprojekt in Hamburg sollen deshalb 600 Neubauwohnungen mit Vakuumtoiletten ausgestattet werden, erklärt Ina Körner, Abwasser-Expertin von der Technischen Universität Harburg.
Die Vakuumtoilette ist dann eben an so ein Vakuum-Absaugsystem angeschlossen, dadurch kann das Toilettenabwasser erstmal ein bißchen konzentrierter erfasst werden, als es heute mit der Wasserspülung der Fall ist, also man spart Wasser, und es kann erfasst werden, zentral gesammelt und dann aufbereitet werden.
Bei Vakuumtoiletten werden die Fäkalien nicht weggespült, sondern abgesaugt. Das Toilettenabwasser, auch „Schwarzwasser“ genannt, wird vom weniger schmutzigen „Grauwasser“ getrennt, also vom Abwasser aus Dusche, Waschbecken oder Waschmaschine. Es fließt über das Abflussrohr nicht weiter in die Kläranlage, sondern in eine spezielle Vergärungsanlage direkt im Wohngebiet. Dort wird es vergoren, das heißt Mikroorganismen ernähren sich davon und erzeugen Biogas. Damit das gut funktioniert, müssen noch andere Stoffe dazugegeben werden.
Das Schwarzwasser enthält eine ganze Menge Organik, aber die für Mikroorganismen verfügbare Organik ist schon vom Menschen selbst verwertet worden, also es kommt nicht mehr ganz so viel Biogas raus. Und deshalb wollen wir mit Ko-Substraten arbeiten, das heißt, Schwarzwasser mit anderen regionalen Substraten, die aus dem Abfallbereich kommen, mischen.
Zunächst sollen fetthaltige Abfälle aus Großküchen mit ins Schwarzwasser gekippt werden. Später wollen die Experten Gras testen – das wächst ohnehin in der Nähe der Wohnungen, in Gärten oder am Straßenrand. Das entstandene Biogas fließt dann in ein Blockheizkraftwerk, dort entstehen Strom und Wärme für die Wohnungen. Vom vergorenen Schwarzwasser bleibt ein Gär-Rückstand übrig. In gewöhnlichen Kläranlagen werden solche Rückstände verbrannt. Ina Körner möchte daraus aber Dünger für die Landwirtschaft machen. Wenn man Toilettenabwasser mit anderer Biomasse vergärt, könnte das in Zukunft ein weiteres Problem lösen: Es könnte die Biotonne überflüssig machen. Dazu müsste man den Biomüll allerdings anders sortieren als bislang.
Der Nachteil für eine effiziente Verwertung an der Biotonne, den sehe ich darin, dass man dort Küchenabfälle und holzige Abfälle gemischt hat. Und Holziges hat eine komplett andere chemische Struktur als Küchenabfälle. Deshalb sind die eigentlich für unterschiedliche Verwertungspfade von Interesse.
Ina Körner möchte die Biotonne in der Küche deshalb am liebsten durch ein Zerkleinerungsgerät ersetzen. Dort wirft man Küchenabfall einfach hinein, und er wird mit dem Schwarzwasser automatisch in eine Vergärungsanlage transportiert. Man müsste also den stinkenden Biomüll nicht mehr selber wegtragen.
Die Küchenabfalltrennung mit Küchenabfallzerkleinerer ist Stand der Technik in den USA, aber dort wird das zerkleinerte Material nicht gesammelt, das geht dann mit dem Abwasserstrom weg. Nur dieses Gerät, das hat man dort, und man weiß durch die Erfahrungen, dass es sehr gut angenommen wird, und dass die Leute nicht mehr ohne ihren Küchenabfallzerkleinerer leben wollen.
Grünabfall aus dem Garten fällt ohnehin nur im Sommerhalbjahr an, in Städten fehlt er ganz. Sporadisch anfallende Gartenabfälle wie Laub oder Unkraut könnte also bei Bedarf ein Sammeldienst abholen, Äste und Zweige zu Mulch häckseln. Ina Körner und ihre Kollegen entwickeln derzeit ein Verfahren, mit dem man auch das Holz noch zu Biogas zu vergären kann. Das Problem ist, dass Holz ein Verbund aus Kohlenhydraten und festem Lignin ist. Bei der Vergärung sind aber nur die Kohlenhydrate verwertbar.
Aber im Holz sind die Kohlenhydrate quasi vom Lignin eingeschlossen. Also die Mikroorganismen kommen nicht ran. Und mit bestimmten chemischen oder physikalischen Aufschlussmethoden kann man es machen, dass der Lignin-Kohlenhydrat-Komplex aufgelockert wird, so dass dann die Mikroorganismen die Kohlenhydratfraktion durch eine Vergärung verwerten können, und das Lignin würde dann übrig bleiben.
Doch auch das ließe sich weiterverwerten: Es hat einen höheren Heizwert als Holz, man könnte daraus also gut Wärme gewinnen. Oder aber man macht Humus daraus. Dafür gibt es immer Bedarf – erst recht, wenn Kleingärtner keinen eigenen Komposthaufen mehr haben, weil der gesamte Biomüll zerhäckselt ins Schwarzwasser geflossen ist.