„Geplante Obsoleszenz“ – so nennt man es, wenn in neue Geräte ein Verfallsdatum schon mit eingebaut ist – wenn sie also mit Absicht so konstruiert sind, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt versagen.
Geht ein Gerät kurz nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung kaputt, ist der Hersteller aus dem Schneider. Er darf sogar darauf hoffen, dass der Kunde sich ein neues Gerät kauft – das kurbelt den Umsatz an. Dass die Menschen moderne Elektrogeräte heute weniger reparieren lassen und sich stattdessen lieber etwas Neues kaufen, ist ein allgemeiner Trend.
Der Kunde gewöhnt sich daran
Dass Geräte zehn oder gar zwanzig Jahre halten, sind wir nicht mehr gewöhnt. Viele Menschen rechnen nicht mehr damit, sagt Stefan Schridde. Der Initiator des Projekts „Murks? Nein danke!“ sammelt seit Jahren Fälle von geplanter Obsoleszenz. Er glaubt, dass viele Hersteller die Wegwerf-Mentalität unterstützen und Bildschirme, Waschmaschinen oder Handmixer absichtlich so bauen, dass sie nach wenigen Jahren den Geist aufgeben. Solche Geräte veröffentlicht er auf seiner Webseite, um den Druck auf die Hersteller zu erhöhen.
Ines Oehme vom Umweltbundesamt untersucht das Problem auch aus ökologischer Sicht: Weil Elektrogeräte oft nur wenige Jahre benutzt werden, fallen enorme Mengen Elektroschrott an. Außerdem tragen neue Geräte einen großen sog. „ökologischen Rucksack“. In welchen Fällen man tatsächlich von „geplanter Obsoleszenz“ sprechen kann und wann es sich schlicht um schlechtes Produktdesign handelt, das möchte das Umweltbundesamt mit einer neuen Studie untersuchen.
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Tintenstrahldrucker stehen besonders unter Verdacht, auf Kommando kaputt zu gehen. Sie verweigern plötzlich ihren Dienst und geben eine Fehlermeldung aus – obwohl sie gar nicht kaputt sind. Techniker können die Geräte angeblich mit einer bestimmten Tastenkombination wieder zum Leben erwecken – natürlich gegen Geld. In anderen Fällen verbauen Hersteller Einzelteile, die besonders schnell kaputtgehen. Bei Elektrogeräten zum Beispiel minderwertige Elektrolytkondensatoren, auch Elkos genannt.
Ganz klassisches Ding. Standard-Strategie ist, schlicht und einfach die gerade so knapp zu bemessen, auf der Platine, dass sie eben, ich sag mal drei Jahre halten, gibt dann sozusagen statistische Ausbrecher, dass mal einer länger hält. Das Wichtigste dabei ist aber: Der Kondensator, der deutlich länger halten würde, kostet nicht mehr. – Stefan Schridde
Stefan Schridde ist Initiator von „Murks? Nein danke!“. Mit seinem Projekt sammelt er Fälle geplanter Obsoleszenz und macht sie öffentlich, um so Druck auf die Hersteller auszuüben. Dass die oft ohne Mehrkosten ein besseres Produkt anbieten könnten, es aber nicht tun, muss Absicht sein, davon ist Schridde überzeugt. Denn je kürzer Produkte halten, desto mehr werden verkauft. Deshalb fordert Stefan Schridde schärfere Gesetze. Ob ein Produkt etwas taugt, müsse der Verbraucher schon an den Angaben auf der Verpackung erkennen.
Wenn ein Hersteller ein Produkt so herstellt, dass er, wie in einem Handmixer die Zahnräder aus einem Kunststoff fertigen lässt, das von so geringer Qualität ist, dass es sich bereits im dritten Jahr der Nutzung freigefräst hat, dann gehört eigentlich draußen so etwas wie ein Zeichen dran: plastic inside. Sie haben das auch bei Computerbildschirmen, wo dann die Federungen hinten, die den Ein- und Ausschaltknopf bewegen, aus Kunststoff gefertigt werden, die dann im dritten Jahr der Nutzung anfangen zu brechen. Da hätte man an der gleichen Stelle kostenneutral eine Metallfeder nehmen können, weil das sind dann die Teile, die nachher die teure Reparatur auslösen. – Stefan Schridde
Schon heute gibt es ähnliche Umwelt-Siegel auf Verpackungen: Den Blauen Engel zum Beispiel, sagt Ines Oehme vom Umweltbundesamt.
Wir entwickeln ja auch die Kriterien für den Blauen Engel. Da haben wir immer auch Kriterien drin, dass zum Beispiel Ersatzteile auch nach Einstellung der Produktion für einen bestimmten Zeitraum, das sind je nach Produktgruppe fünf oder zehn Jahre, noch verfügbar sein müssen, damit Produkte auch wirklich reparierbar sind. – Ines Oehme
Deutlich strengere Kennzeichnungspflichten etwa für eine Art Mindesthaltbarkeit von Elektrogeräten wären zwar wünschenswert. Sie lassen sich laut Ines Oehme aber derzeit kaum realisieren. Denn bei vielen Produkten lässt sich schlecht messen, wie lange sie tatsächlich benutzt werden können.
Was wir messen können, ist eine Brenndauer von Lampen, dafür gibt es standardisierte Tests, es gibt Tests zum Beispiel für die Scheuerbeständigkeit von Textilien oder die Wischfestigkeit von Farbe. Aber wir haben eben leider keine Tests, wie man die Lebensdauer einer Waschmaschine, eines Kühlschranks oder eines Fernsehgeräts messen kann. Und das macht es natürlich dann sehr schwierig, weil ein Gesetzgeber auch nicht bis ins letzte Detail in das Design Vorschriften machen kann. – Ines Oehme
Außerdem fehlt laut Ines Oehme der Nachweis, dass Hersteller frühzeitige Defekte wirklich bewusst anstreben. Möglicherweise handele es sich oft einfach um schlechtes Produktdesign.
Eine geplante Obsoleszenz würde ja bedeuten, dass das wirklich bei der Großzahl dieses Produktes von diesem Typ bei allen Produkten in gleicher Art und Weise wirklich auftritt. Dafür haben wir bisher nicht wirklich einen Nachweis. – Ines Oehme
Dieser Nachweis könnte aber bald gelingen. Das Umweltbundesamt will jetzt in einer Studie die Nutzungsdauer unterschiedlicher Produkte untersuchen. Zusätzlich soll es Befragungen dazu geben, ob sich bei Verbraucherzentralen, der Stiftung Warentest oder Reparaturbetrieben die Beschwerden über bestimmte Produkte häufen. Denn wenn sich das Problem geplanter Obsoleszenz mit Zahlen untermauern lässt, werden auch gesetzliche Gegenmaßnahmen einfacher. Stefan Schridde von der Initiative „Murks? Nein danke!“ hat mittlerweile so viele Beispiele gesammelt, dass für ihn die Sache längst klar ist.
Das sind ja zahllose Beispiele mittlerweile, und die sind ja so offensichtlich, dass ich persönlich keinen Beweis mehr für geplante Obsoleszenz brauche. Wir brauchen eher Aktivitäten gegen diese gewollten Unterlassungen der Hersteller und des Handels. Die müssen eben in ihre so genannte soziale Verantwortung genommen werden, damit wieder Produkte ins Regal kommen, für die man sich nicht schämen muss. – Stefan Schridde
Stefan Schridde will deshalb in den nächsten Monaten in Berlin ein „Murkseum“ eröffnen, ein Museum voller schlechter Produkte. Damit die Verbraucher wissen, dass sie mit ihren Murks-Geräten nicht allein sind.
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