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Green Radio | Trockengelegte Moore verstärken den Treibhauseffekt

Die meisten Moore in Deutschland sind trockengelegt und werden landwirtschaftlich genutzt. Mit fatalen Folgen für das Klima: Aus dem trockenen Torf entweicht viel Treibhausgas. Wissenschaftler suchen nach Wegen, wie man die Flächen wieder wässern und trotzdem noch landwirtschaftlich nutzen könnte.

Eine Kooperation mit dem Umweltbundesamt.

Eine Kooperation mit dem Umweltbundesamt.

Ein Moor ist zwar ein Paradies für Wanderer, Vögel und viele andere Tiere. Landwirte aber können die sumpfige Fläche nicht gut bewirtschaften. Deshalb sind die meisten Moore in Deutschland heute trockengelegt und dienen als Acker oder Weidefläche.

Aus trockengelegten Mooren in Deutschland entweichen jährlich 27 Millionen Tonnen CO2 – etwa genauso viel, wie der deutsche Flugverkehr ausstößt

 

Christian Schröder - Landwirtschaftsökologe von der Uni Greifswald. Foto: C. Schröder

Landwirtschaftsökologe von der Uni Greifswald. Foto: C. Schröder
Christian Schröder

Doch aus trockenen Mooren entweichen enorme Mengen Treibhausgas. Würde man die Flächen einfach wieder sich selbst überlassen, wäre damit zwar dem Klima und dem Moor geholfen – es würde aber viel Ackerland verloren gehen, und wir müssten auf einen großen Teil der Ernte verzichten – meint der Umweltreferent des Deutschen Bauernverbandes, Steffen Pingen.

Steffen Pingen - Umweltreferent des Deutschen Bauernverbandes. Foto: DBV

Umweltreferent des Deutschen Bauernverbandes. Foto: DBV
Steffen Pingen

 

Deshalb suchen Wissenschaftler unter dem Stichwort „Paludikultur“ nach neuen Lösungen, wie sich Moore renaturieren und dennoch bewirtschaften lassen. Wie das funktionieren könnte, und warum aus Mooren überhaupt Treibhausgase entweichen, erklärt Christian Schröder, Landwirtschaftsökologe von der Uni Greifswald und Projektkoordinator des BMBF-Verbundprojektes VIP – Vorpommern Initiative Paludikultur.

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Der Beitrag zum Mitlesen

Moore sind uralte Lebensräume. Die Ältesten sind nach der letzten Eiszeit entstanden, vor 10.000 Jahren. Lange hat der Mensch ihre Entwicklung unbewusst gefördert: Er hat Wälder abgeholzt und so dafür gesorgt, dass der Grundwasserspiegel stieg. Durch den Wasserüberschuss entstanden Moore, erklärt Christian Schröder, Landwirtschaftsökologe von der Uni Greifswald.

Und zwar ist es so, dass, wenn wir dort einen Überschuss an Wasser haben, dass das Pflanzenmaterial nicht vollständig abgebaut wird. Durch diesen Wasserüberschuss ist nämlich ein Mangel an Sauerstoff da. Und dann können die Mikroorganismen dieses Pflanzenmaterial nicht abbauen. Und diese akkumulieren sich dann als Torf.

Über Jahrhunderte sind so bis zu zehn Meter dicke Torf-Ablagerungen entstanden. Heute sind naturbelassene Moore in Deutschland aber eine Seltenheit. Denn etwa 95 Prozent der Moorfläche sind entwässert, lässt sich doch Torf gut als Brennstoff nutzen. Außerdem können Landwirte auf trockengelegten Moorflächen Getreide anbauen oder Milchvieh grasen lassen. Etwa eine Million Hektar Moorfläche in Deutschland werden heute landwirtschaftlich genutzt – das ist eine Fläche halb so groß wie das Land Sachsen-Anhalt. Diese Zahl nennt Steffen Pingen, Umweltreferent des Deutschen Bauernverbandes.

Und das ist ungefähr so sechs Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland. Insofern ein recht großer Anteil.

Doch die landwirtschaftliche Nutzung dieser Flächen hat einen hohen Preis. Denn aus dem trockenen Moor entweichen große Mengen Treibhausgas, erklärt Christian Schröder.

Wenn Moore entwässert werden, dann gelangt wieder Sauerstoff an den Torfkörper. Dann freuen sich die Bakterien und fangen an, diesen zu zersetzen. Das ist wie ein großer Komposthaufen. Das organische Material wird dann einfach in CO2 umgewandelt und geht in die Atmosphäre, das Moor löst sich quasi in Luft auf.

Über Jahrtausende im Moor gebundenes CO2 wird wieder freigesetzt. Und das geht viel schneller, als das Moor entstanden ist, so Schröder:

Bei einer starken Entwässerung gehen durchaus ein bis zwei Zentimeter Moor jedes Jahr verloren. Im Verhältnis zum Moorwachstum, das sind ungefähr ein bis zwei Millimeter im Jahr. Also es geht zehnmal schneller runter. Das heißt, wir haben in den letzten 50 Jahren intensiver Moorbewirtschaftung zum Teil schon 2000 Jahre Torf verloren.

Die Menge des dabei entweichenden Treibhausgases ist beträchtlich: Deutschlandweit verursachen Moore etwa drei Prozent des gesamten Ausstoßes. In Regionen mit viel Moorfläche ist der Anteil deutlich größer, in Mecklenburg-Vorpommern etwa kommt mehr als ein Viertel der Treibhausgase aus trockengelegten Mooren. Umweltschützer wollen deshalb möglichst viele Moore renaturieren, also wieder nass werden lassen. Diese Denkweise ist zu einseitig, sagt der Umweltreferent des Deutschen Bauernverbandes, Steffen Pingen. Nachvollziehbar sei der Gedanke schon,

nur müssen wir in Anbetracht der Größenordnung darüber nachdenken, ob es verhältnismäßig ist, eine Million Hektar wiederzuvernässen, wo wir heute feststellen müssen, dass landwirtschaftliche Fläche knapp ist und durch Siedlungs- und Verkehrsmaßnahmen nach wie vor immer knapper werden, dass weltweit der Bedarf an Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen deutlich zunimmt, und wir insofern uns gut überlegen müssen, ob wir auf die Bewirtschaftung von einer Million Hektar verzichten können.

Steffen Pingen fordert neue Lösungen von der Wissenschaft. Sie soll herausfinden, wie sich Moorflächen wieder vernässen und trotzdem landwirtschaftlich nutzen lassen – ohne, dass dabei Treibhausgase entweichen. Genau das tun die Forscher um den Landwirtschaftsökologen Christian Schröder an der Uni Greifswald. Schröder koordiniert dort das Projekt „Vorpommern Initiative Paludikultur“. Paludikultur nennt man die landwirtschaftliche Nutzung nasser Moore.

Es ist auch möglich, Moore unter nassen Bedingungen zu bewirtschaften, also standortangepasst, mit Pflanzen, die auch daran angepasst sind, an diese nassen Bedingungen, und dort Biomasse zu ernten, die zu nutzen, um halt die für Energiegewinnung zu verwenden oder auch für stoffliche Verwertungsmöglichkeiten die Biomasse zu verwenden.

Biomasse aus Mooren zu nutzen, ist keine neue Idee. In Norddeutschland gibt es zum Beispiel viele Häuser mit Dächern aus Schilf. Doch solche traditionellen Nutzungsmöglichkeiten von Moorfläche gelten als nicht wirtschaftlich. Unter dem Stichwort Paludikultur suchen die Wissenschaftler deshalb nach neuen Ansätzen. Ein Beispiel dafür ist Torfmoos. Das wächst im Moor ständig nach, und man kann es gut für den Gemüseanbau nutzen.

Also sämtliches Gemüse, das wir essen, dafür brauchen wir Torf, um die Pflanzen anzuziehen. Und dafür werden Moore abgebaut, und die Idee ist es, diesen Torf zu ersetzen mit diesem Torfmoos-Substrat. Und dafür kultivieren wir die Moose, und die können dann alle fünf Jahre geerntet werden, die werden danach sofort wieder ausgesät, die obersten Bestandteile, dass die halt weiterwachsen können, und der Rest, den kann man dann halt als Ersatz für Torf verwenden.

Christian Schröder glaubt, dass sich solche Nutzungsformen für Landwirte rechnen. Vor allem, wenn man bedenkt, welcher Aufwand heute betrieben wird, um Moore herkömmlich zu bewirtschaften – es muss ständig Wasser abgepumpt werden. Viele heutige Nutzungsformen seien nur wirtschaftlich, weil es dafür Agrar-Subventionen gebe. Deshalb sei es wichtig, dass in Zukunft auch alternative Nutzpflanzen anerkannt und subventioniert werden, meint Schröder – einheimisches Schilf als Baumaterial etwa.

Momentan ist es so, die Landwirte bekommen Agrarsubventionen, wenn sie Chinaschilf anbauen. Wenn sie unser einheimisches Schilf anbauen, dann bekommen sie die nicht, weil Schilf einfach nicht als Nutzpflanze anerkannt ist. Und das ist natürlich ein großes Problem. Denn dann ist dieser Betriebszweig nicht wettbewerbsfähig. Als Landwirt muss man einfach so weitermachen wie bisher.

Dass trockengelegte Moore weiterhin viel CO2 ausstoßen, ist also nicht in erster Linie den Landwirten anzulasten, die sie bewirtschaften. Gefordert sind zuerst die Entscheidungsträger in der Politik.

 

+++Green Radio: Umwelt und Nachhaltigkeit – eine Kooperation mit dem Umweltbundesamt. Jeden Donnerstag bei detektor.fm+++

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