Es ist April, und damit beginnt langsam die Zeit, wo man sich schonmal ein paar Gedanken über den Sommerurlaub machen könnte. Die Deutschen sind eines der reisefreudigsten Völker, und der Urlaub sei auch jedem gegönnt – obwohl Fernreisen aus Umweltsicht ziemlich sündhaft sind. Jedenfalls, wenn man mit dem Flugzeug verreist, denn Flieger pusten sehr viele Treibhausgase in die Atmosphäre. Deshalb raten Klimaschützer: So wenig fliegen wie möglich, vor allem auf kurzen Strecken lieber die Bahn nehmen.
Klimakompensation ist kein großer Aufwand
Aber auch Flugreisen lassen sich umweltgerecht gestalten. Denn jeder Passagier kann seinen Treibhausgas-Ausstoß sehr einfach ausgleichen, mit wenigen Klicks im Internet. Dabei helfen unabhängige Organisationen wie Myclimate oder Atmosfair: Sie berechnen für jede Tonne CO2 einen bestimmten Betrag, mit dem sie Klimaschutzprojekte finanzieren, die an anderer Stelle wieder CO2 einsparen. Zum Beispiel in Entwicklungsländern, wo fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energien ersetzt werden.
Deutsche Urlauber sind noch zurückhaltend beim Ausgleich
Für Reisende ist der CO2-Ausgleich nicht teuer, verglichen mit den Kosten für einen zweiwöchigen Urlaub. Bei innereuropäischen Flügen ist man mit wenigen Euro dabei. Wie das Prinzip der Klima-Kompensation funktioniert, erklärt Stefan Baumeister, Geschäftsführer der gemeinnützigen Kompensationsagentur Myclimate Deutschland.
Und welchen Stellenwert das Thema Klimaschutz generell für deutsche Touristen hat, weiß Bente Grimm, Projektleiterin am Institut für Tourismus und Bäderforschung in Nordeuropa. Sie ist Mitarbeiterin der jährlich erstellten repräsentativen Reiseanalyse des Instituts im Auftrag der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen:
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Der Beitrag zum Mitlesen:
Flugreisen sind klimaschädlich. Ein Flug von Frankfurt nach Palma de Mallorca und zurück verursacht rund 700 Kilogramm CO2. Das ist fast so viel, wie ein durchschnittlicher Inder in einem ganzen Jahr verursacht: Nämlich etwa 900 Kilogramm. Diese Zahlen nennt die CO2-Kompensationsagentur Atmosfair. Nach und nach entwickeln Flugreisende ein Bewusstsein für die Problematik. Das zeigt die aktuelle Reiseanalyse, die das NIT jährlich erstellt, das Institut für Tourismus und Bäderforschung in Nordeuropa. Bente Grimm ist Projektleiterin am NIT.
Man kann davon ausgehen, dass circa 40 Prozent der Bevölkerung sich einen umweltverträglichen Urlaub wünschen, und das ist auch gestiegen im Vergleich zum letzten Jahr, damals waren es 31 Prozent. Das heißt, das Thema Umwelt rückt einfach noch stärker in den Vordergrund. – Bente Grimm
Betrachte man die Daten aber etwas genauer, sagt Bente Grimm, dann falle noch etwas anderes auf: Viele derjenigen, die besonders großen Wert auf umweltverträgliches Reisen legten, hätten in den vergangenen Jahren ohnehin keine Flugreisen gemacht. Unter den Vielfliegern dagegen sei Klimaschutz weniger ein Thema.
Mir wird ein bisschen Angst und Bange bei denjenigen, die nicht nur sagen, naja, das ist mir so mittelmäßig wichtig. Sondern es gibt durchaus auch die, die sagen, nee, das trifft ganz und gar nicht zu, es ist mir einfach egal. – Bente Grimm
Wem Klimaschutz beim Reisen nicht egal ist, der kann recht einfach den CO2-Ausstoß des Flugzeugs ausgleichen. Dafür gibt es unabhängige Agenturen wie Atmosfair oder Myclimate. Sie bieten auf ihren Internetseiten CO2-Rechner an. Gibt man den Start- und den Zielflughafen ein, berechnen diese sekundenschnell die dabei entstehenden Klimagase. Gleichzeitig nennen sie einen Geldbetrag, der nötig ist, um diese Klimagase an anderer Stelle wieder einzusparen – für den Flug nach Mallorca und zurück wären das zwischen 13 und 17 Euro. Mit diesem Geld bezahlen die Agenturen verschiedene Klimaschutzprojekte hauptsächlich in Entwicklungs- und Schwellenländern, erklärt Stefan Baumeister, Geschäftsführer von Myclimate Deutschland:
Und in diesen Klimaschutzprojekten wird letztendlich Ihre Anzahl an emittierten Tonnen CO2 nachweislich wieder vermieden. Und das geht meistens dadurch, dass man fossile Brennstoffe ablöst durch alternative Energien. Und dadurch spart man wieder das CO2 ein. – Stefan Baumeister
Myclimate hat zum Beispiel geholfen, ein großes Holzwerk in Brasilien umzurüsten: Früher deckte es seinen Strombedarf mit Dieselgeneratoren, doch die stießen viel CO2 aus.
Und was man dann getan hat, ist, dass man in dem Projekt gesagt hat, man nimmt diese enormen Abfälle an Holzhackschnitzeln, die übrig bleiben bei der Holzverarbeitung, und benützt diese Biomasse, um Strom zu generieren. Und so hat man die Dieselgeneratoren abgelöst und spart enorm viel CO2 pro Jahr ein. Und das ist so viel Strom, dass 70.000 Menschen in dieser Region in Brasilien hundert Prozent Ökostrom beziehen und eben nicht mehr die Dieselgeneratoren verwendet werden. – Stefan Baumeister
Organisationen wie Myclimate oder Atmosfair lassen ihre Berechnungen und ihre Klimaschutzprojekte von anderen unabhängigen Einrichtungen prüfen – dafür gibt es unter anderem den „CDM-Gold-Standard“, ein international anerkanntes Zertifikat.
Also wenn man dann so ein Projekt unterstützt, das höchste Qualitätskriterien erfüllt, so wie alle unsere Projekte, dann können Sie unglaublich viel Gutes den Menschen vor Ort tun. Weil es dann nicht mehr nur ums CO2-Einsparen geht, sondern weil man mit all diesen Projekten wirklich die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort teilweise dramatisch verbessern kann. Und insofern finde ich es extrem schade, dass es trotzdem bisher so wenig Leute nutzen. – Stefan Baumeister
Das würde sich vielleicht ändern, wenn mehr Fluggesellschaften den zum Ausgleich nötigen Betrag gleich mit berechnen und bei der Buchung anzeigen würden. Die TUI Fly zum Beispiel tut das. Aus Eigeninitiative aber nutzen nur wenige Reisende die Angebote der Kompensations-Agenturen.
Wir bewegen uns da immer noch im einstelligen Prozentbereich. Und ich erkläre mir das auch teilweise dadurch, dass die letzten zwei Jahre der Klimaschutz nicht mehr Priorität in den Medien ist. Sondern dass man sehr sehr viel mehr über Eurokrise und Finanzkrise gesprochen hat. – Stefan Baumeister
Es mangelt also noch immer am Bewusstsein für das Thema. Deshalb gehen einige Spezialanbieter für nachhaltige Reisen einen Schritt weiter: Sie berechnen den CO2-Ausgleich von vornherein mit ein, die Kunden werden gar nicht mehr gefragt. Dadurch steigen die Preise zwar um ein paar Euro pro Urlaubstag. Aber so reisen auch solche Menschen klimaneutral, die das sonst nicht tun würden:
Wenn Umfragen kommen, die Leute sagen: Ja, ich bin für Klimaschutz, ich bin für Kompensation. Aber das Problem an der Geschichte ist, wenn man dann anonym zu Hause vor dem Rechner sitzt und seinen Flug bucht, dann ist der durchschnittliche Mensch eben doch so, dass er sagt: Naja, die 60 Euro spare ich mir lieber. Und das finde ich ein bisschen schade. Ich sehe es aber auch als eine Herausforderung für uns, als eine Klimaschutzorganisation, dass wir uns Mechanismen überlegen, wie wir Menschen belohnen können für die Entscheidung. – Stefan Baumeister
Und belohnen heißt für Stefan Baumeister: Klimaneutrales Reisen muss ein gutes Image bekommen und auch öffentlich sichtbar gewürdigt werden. Wie das am besten ginge, darüber macht er sich ständig Gedanken. Vielleicht wäre manch einer ja eher bereit zu zahlen, wenn er sich hinterher bei Facebook als „Klimaheld des Monats“ feiern lassen könnte.