Als der Sturm Ela Pfingsten 2014 in Düsseldorf und Umgebung wütet, zerstört er 40.000 Bäume. Die meisten werden von der Stadt direkt zu Feuerholz verarbeitet. Das können zwei Architekten und zwei Designer nicht mit ansehen und gründen das Kollektiv „Das gute Ding“. Die vier haben sich an der Fachhochschule kennengelernt und einen Plan geschmiedet: Aus den gefallenen Bäumen sollen Frühstücksbrettchen entstehen. Und auf diesen Brettchen sollten die Koordinaten eingraviert werden, an denen der Baum einst gestanden hat.
So sollten die Bäume den Bürgern der Stadt erhalten bleiben. Den vier Kreativen ist es dabei wichtig gewesen, Objekte mit Geschichte zu erstellen, die aber auch im Alltag benutzt werden können. Kein Kunst-, sondern ein Gestaltungsprojekt.
Für diese Arbeit hat „Das gute Ding“ viel Lob und Anerkennung bekommen. Wir sind deshalb mal nach Düsseldorf gefahren und haben bei einem Croissant und Kaffee mit zwei der Macher gesprochen.
„Das gute Ding“ gehört zu den Kultur- und Kreativpiloten des Bundeswirtschaftsministeriums. Ab dem 15. Mai 2017 kann man sich bis zum 30.6.2017 für die nächste Runde bewerben.
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40.000 Bäume hat der Sturm Ela aus dem Boden gerissen und umgeworfen. 2014 hat er in Düsseldorf gewütet, unter anderem im Rheinpark und im Volksgarten. Einige Bäume konnten noch von der Stadt gerettet werden, aber viele wurden einfach zu Brennholz gehäckselt. Doch es gab da jemanden, der das nicht so einfach hinnehmen wollte.
Da haben wir gesagt: Das kann so nicht weitergehen. Jetzt müssen wir aktiv werden, weil wir gesehen haben, dass da wirklich gerade ein Wert vernichtet wird. Dann haben wir als erstes die Stadt angerufen, haben versucht einen Ansprechpartner zu finden. Was natürlich in so einer Situation nicht leicht war. Wir haben sehr viel Glück gehabt und Silke Wiebrock ans Telefon bekommen. Das ist eine Mitarbeiterin aus dem Gartenamt hier in Düsseldorf. Und die hat zu uns gesagt: ‚Ich weiß nicht, was ihr wollt, aber, was braucht ihr? Das hört sich erstmal danach an, dass ihr was Gutes machen wollt. Was muss ich tun?‘ Wir haben gesagt: ‚Wir brauchen eine Sondergenehmigung, um in die Parkanlagen zu können. Wir haben eine Idee, aber da ist es ganz wichtig, dass wir wirklich die Bäume markieren, da wo sie gestanden haben. Also wir brauchen die genauen, exakten Koordinaten.‘ Und da hat sie gesagt: ‚Okay, heute Abend habt ihr ’ne Sondergenehmigung.‘
Das ist Tobias Jochinke, er ist Kommunikationsdesigner und Teil des Kreativ-Projekts „Das gute Ding“. Zusammen mit seinen drei Kollegen produziert er Dinge mit Geschichte und rennt dafür auch mal nachts durch den Stadtpark.
Wir sind dann über Nacht und am nächsten Tag mit Sprühdose in den Park und haben die Bäume markiert. Der nächste Schritt war dann nach dem Markieren der Bäume, dass wir diese Idee präsentiert haben. Und unsere Idee war zu sagen: Es wär schön, wenn wir aus den Bäumen ein einfaches Produkt herstellen könnten, das die Düsseldorfer kaufen können. Und gleichzeitig etwas haben, womit sich die Leute erinnern können, aber das sie auch benutzen können. Da ist uns die einfache Idee eines Schneidbrettchens gekommen, weil wir gesagt haben: Das ist ein schönes Produkt.
Aber kein normales Schneidbrettchen, sondern ein „Sturmbrettchen“ sollte es werden. Minimalistisch gestaltete Frühstücksbrettchen aus dem Holz der entwurzelten Bäume. Auf ihnen eingraviert sind: der Name des jeweiligen Baumes, sein Alter und eben auch die GPS-Koordinaten seines einstigen Standortes. Tobias gibt mir eines dieser Brettchen in die Hand.
Das ist ein Ahorn-Brettchen. Der Baum war 139 Jahre, als der Sturm Ela kam. Der stand hier in Düsseldorf im Hofgarten.
Doch vom gefallenen Baum zum fertigen Brett war es ein langer Weg. Ein Weg mit unerwarteten Problemen.
All diese Prozesse: Wie schnell kriegen wir das Holz getrocknet? Wie viel von dem Holz ist wirklich verwendbar? Eine Besonderheit oder Schwierigkeit des Projektes war, als wir angefangen haben, die Bäume aufzusägen, dass wir sehr viele Weltkriegsschäden in den Bäumen hatten. Dadurch hatten wir viel Metall, konnten es nicht in klassischen Sägewerken aufsägen. Das heißt, wir mussten das im Hofgarten mit einer Bandsäge Scheibe für Scheibe runterschneiden. Das waren alles so Themen, wo wir gedacht haben, da könnte was passieren. Und natürlich sind die aufgetreten.
Probleme, die man als Kommunikationsdesigner alleine nicht lösen kann. Deswegen besteht das vierköpfige Team vom „Guten Ding“ auch aus zwei Architekten. Philip Behrend ist einer von ihnen und erklärt seine Rolle im Prozess:
Da spielt der technische Hintergrund schon eine gewisse Rolle. Also wir haben in der Architektur und in der Baukunst auch viel mit Holz zu tun, dementsprechend haben wir auch einen Bezug zu dem Material. Uns interessieren natürlich alle Materialien, aber Holz natürlich im Besonderen, weil es ein nachwachsender Rohstoff ist. Und weil es sehr eigenständig ist. Wenn man Holz beispielsweise aufschneidet, hat man immer eine andere Maserung, andere Asteinschlüsse und sowas. Ein super interessanter Baustoff, den wir natürlich auch während des Studiums kennengelernt haben.
Heute, drei Jahre später, sind die Sturmbrettchen längst produziert – und ausverkauft. Teile von 36 Bäumen wurden für sie verwendet. Und dabei ist es nicht geblieben:
Von den Erlösen und den ganzen Produktionen sind wir jetzt dabei, 36 neue Bäume zu pflanzen und uns dann jetzt auch zwei Jahre lang um die Bäume zu kümmern, sodass sie keinen weiteren Schaden erleiden und gut angehen.
Man mag sich jetzt fragen, warum sich diese Sturmbrettchen so gut verkauft haben. Holzbrettchen sind ja selbst keine revolutionäre Idee. Philip hat eine Erklärung:
Wir haben für uns in der Gestaltung festgestellt, dass es einen Wandel gibt im Umgang mit Produkten, mit Architektur, mit Dingen, die wir um uns haben. Viele Menschen interessieren sich viel mehr dafür: Was ist das für ein Produkt? Wo kommt es her? Wie wurde es gemacht? Was steht dahinter? Das ist ein zentraler Punkt unserer Arbeit, wo wir einen ganz großen Fokus drauf legen. Wir möchten nicht Masse produzieren. Wenn wir anfangen zu gestalten, interessiert uns nicht der Profit, sondern: Haben wir eine gute Idee? Wir wollen ein gutes, taugliches Produkt machen. Also, wenn wir von guten Dingen sprechen, dann sprechen wir davon, dass gewisse Attribute erfüllt sein müssen, damit sie von uns gestaltet werden, damit wir das Projekt machen.
Philip sieht das ähnlich:
Was für mich bei dem Projekt extrem wichtig war: dass dieses Projekt eine Geschichte erzählt. Das ist auch ein Punkt, der uns für spätere Projekte immer wieder begleiten wird und auch begleitet. Dass die Geschichte des Produktes eine zentrale Rolle spielt.
Zurzeit erzählen die vier Macher von „Das gute Ding“ eine neue Geschichte: Zusammen mit einer Traditions-Brennerei aus dem Münsterland vertreiben sie Essenzen, die nur aus pflanzlichen Stoffen, Wasser und Alkohol bestehen. Also: ein völlig anderes Projekt als die „Sturmbrettchen“:
Wir gehen da nicht sehr taktisch ran. Wir sehen: Da ist was und dass man mit Gestaltung was verändern könnte, und das nehmen wir uns dann an. Aber die Frage nach dem Businessplan haben wir uns noch gar nicht gestellt.