Bis zu 100.000 Euro pro Tag. Diese Strafe droht Städten und Gemeinden, wenn sie den Feinstaub-Grenzwert überschreiten. Dreckige Luft ist in Städten zunehmend ein Problem, aber natürlich nicht das Einzige.
Immer mehr Autos stoßen immer mehr Kohlendioxid aus. Immer mehr Flächen sind mit Beton, Asphalt oder Gehwegplatten versiegelt. Unsere Städte heizen sich immer mehr auf. Insekten und Kleintiere verlieren dadurch zunehmend an Lebensraum.
Viele dieser Probleme hängen zusammen. Sie alle sollen von einer einzigen Idee gelöst werden. Das verspricht zumindest Green City Solutions aus Dresden. Eine junge Firma, die wir heute in unserer Reihe „Machen statt Quatschen“ vorstellen. Marcus Engert ist hingefahren.
Green City Solutions gehört zu den Kultur- und Kreativpiloten des Bundeswirtschaftsministeriums. Das Team ist Teil des aktuellen Jahrgangs der Auszeichnung.
Der Beitrag zu Green City Solutions zum Mitlesen
Dresden, zehn Minuten Fußweg vom Hauptbahnhof entfernt. Ein vier Meter hohes grünes Etwas sorgt für neugierige Blicke. Es sieht aus wie zwei Sitzbänke, außen eine Metall-Verkleidung, Rücken an Rücken gestellt. Und zwischen den Bänken: eine 60 cm dicke Wand aus Grünzeug. „City Tree“ heißt das Ganze. Und ausgedacht hat sich das unter anderem dieser Kerl:
Ich bin Denes Honus und ich bin einer von vier Gründern von Green City Solutions. Und unser Ziel ist es, Städten weltweit zu helfen, gegen Luftverschmutzung vorzugehen.
Das kann man sich ja mal so nebenbei vornehmen: „die Luftverschmutzung“ zu bekämpfen! Fragt sich nur: wie?
Unsere Lösung basiert auf Biotechnologie: Es ist eine bestimmte Mooskultur, in Kombination mit Pflanzen, die – wenn man es einfach ausdrücken möchte – die Fähigkeit hat, die Luftverschmutzung aus der Luft herauszuholen und in eigene Biomasse umzuwandeln. Also ein Moos, was Luftverschmutzung aufisst. Das Problem bisher ist, dass man dieses Moos nicht in den Städten züchten oder ziehen kann, weil es dort einfach sterben würde. Und wir haben mithilfe von Computertechnologie – sogenannter „internet-der-Dinge-Technologie“ im Hintergrund – alles gebaut, was es braucht, um diese Moose und diese Pflanzen in die Stadt reinzubringen. Damit die dort das machen können, worin sie am Besten sind.
Das Moos haben die vier nicht erfunden. Sein Einsatz basiert auf einer Forschungsarbeit an deutschen Unis. Aus dem Team der TU Dresden und der HTW Dresden ging die Gründung von „Green City Solutions“ – und damit auch die Erfindung des „City Trees“. Der ja erstmal nur eine Sitzbank ist:
Das hat nicht nur damit zu tun, dass es nett ist für die Leute, auf dieser Bank zu sitzen. Sondern das gewährleistet auch die Stabilität der ganzen Anlage und sorgt dafür, dass man die Anlage nicht im Boden verankern muss. Also man kann, wenn man jetzt irgendwo ein Luftverschmutzungsproblem hat, die Anlage einfach dort aufstellen, und muss keine großen Baumaßnahmen vornehmen. Und im Inneren dieser Anlage ist all diese Technologie drinnen, die es benötigt, um diese Anlage zu betreiben. Es gibt einen Wassertank, der 1.000 Liter fasst. Es gibt ein System, das die Pflanzen überwacht, um ihnen die Nährstoffe und das Wasser auch zur richtigen Zeit zur Verfügung zu stellen. Und die ganze Anlage ist auch noch autark: also braucht weder einen Wasseranschluss, weil sie über ein Regenwasserauffang-System das Wasser eigenständig sammelt, und über ein Solarpanel all die Energie aus der Sonne bezieht, die es braucht, um die Anlage dauerhaft zu betreiben.
Man kann die Anlagen also spontan woanders hinbringen. Und Dank der Sensoren jederzeit nachschauen: Läuft alles gut? Fehlt Wasser? Wie geht’s den Pflanzen? Oder auch: Wie viel haben die denn schon geleistet? Klingt nicht unkompliziert. Und ehrlich gesagt auch nicht billig. Doch Denes Honus hat die Zahlen parat:
Wir sind jetzt mit einer Anlage mit einem Stückpreis von etwa 25.000 Euro am Markt. Das klingt jetzt für den Endkonsumenten erstmal nach einer Menge Geld. Wenn man sich aber überlegt, was die Konkurrenzprodukte sind – also zum Beispiel Gleisbegrünung oder Bäume pflanzen – dann muss man sich überlegen, dass jede von unseren Anlagen auf nur 3 Quadratmetern Grundfläche so effektiv die Luft reinigt wie 275 Bäume. Und 275 in der Stadt zu pflanzen braucht nicht nur sehr sehr viel Platz, sondern es kostet auch etwas 1.000 Euro pro Baum – also etwa 275.000 Euro. Und wenn man das mit den 25.000 Euro für die Anlage vergleicht, ist das natürlich schon wesentlich weniger.
Tja. Klingt einleuchtend. Und so wundert es irgendwie nicht, dass es Anfragen aus dem arabischen Raum gibt, oder aus China. In Hong Kong eröffnen sie gerade ihr erstes Büro außerhalb von Deutschland – logo: China und Asien ist der Zielmarkt. Als nächstes soll aber erstmal eine ganze Stadt hierzulande mit dem System ausgestattet werden, um zu zeigen, dass das funktionieren kann. Und weil deutsche Kommunen in aller Regel weder Geld noch Personal übrig haben, haben sich die Green City Solutions auch für die schon das richtige Argument parat gelegt: Es ist nämlich nicht nur so, dass man Geld spart …
Und man einen sehr sehr geringern Wartungsaufwand pro Jahr hat. Also wir sprechen da von unter 5 h pro Jahr. Und wenn man das wieder vergleicht mit 275 Bäumen, wo man sich vorstellen kann, dass Schnitt und Aufsammeln von Laub natürlich viel viel mehr Arbeit macht, ist es nicht nur die bessere Erst-Investition, weil es günstiger ist, sondern auch in den laufenden Kosten für die Städte wesentlich günstiger.
Doch noch eine andere Käufergruppe hat „Green City Solutions“ im Visier: die Privatwirtschaft. Jene nämlich, die auf Werbung und Events angewiesen ist:
Es ist nicht nur Sitzbank und Luftreinigungsmaßnahme, sondern es kann auch als Werbeträger dienen. Man kann zum Beispiel einen Screen implementieren, auf dem man jetzt Stadtinformationen laufen lassen könnte, oder wann der nächste Bus kommt. Oder aber einen sehr großen QR-Code: das sind diese schwarz-weißen Codes, und das kann man als Kontrastunterschied einfach mit verschiedenen Pflanzen bepflanzen. Und das Smartphone erkennt die komplette Anlage, also die komplette Pflanzenwand, als Informationsträger.
Das ganze ist keine Zukunftsmusik. Bekommen kann man den „City Tree“ schon heute. Wer bestellt, muss 4–6 Wochen warten. So lange braucht die junge Firma, um die Anlagen auszuliefern. Produziert wird komplett in Deutschland. Langweilig dürfte es den vier Gründern und ihrem Team so schnell also nicht werden. Auch, weil sie noch ein ganzes Bündel an Ideen haben: WLan-Hotspots in die Bänke einbauen, Steckdosen für Handys oder Elektrofahrräder oder Autos – und sogar der Einsatz von essbaren Pflanzen ist denkbar. Mit Tomaten haben sie’s wohl schon probiert. Und angeblich sind die sehr lecker gewesen.