Vomhörensehen steht für soziales Engagement, langjährige medienpädagogische Erfahrung, Musik, Film und Fotografie. Von allem steckt etwas in der Firma, die Eiko Theermann und Lars Kaempf 2015 gegründet haben. Beide brauchen kreative Herausforderungen.
Zeitgemäß und mit großem Ideenreichtum klären sie in Schulen zum Thema Mobbing auf, machen diverse Workshops, veranstalten Filmwettbewerbe für Jugendliche und bauen Websites, die Geflüchteten helfen sollen, die ersten Tage auf neuem Boden gut zu überstehen.
Das Thema Film liegt den beiden besonders am Herzen. In Kooperation mit dem Bremer Landesinstitut für Schule hat vomhörensehen den Filmwettbewerb Ausweg[ge]Sucht! ins Leben gerufen. Jugendliche von 15–25 können Kurzfilme einreichen, die sich mit „Alternativen zum Rückgriff auf Drogen in schwierigen Situationen“ auseinandersetzen. Über 500 Jugendliche haben letztes Jahr ihre Filme eingereicht. 450 Menschen haben die von Tatortkommissar Oliver Mommsen moderierte Preisverleihung besucht.
Für diese Arbeit ist vomhörensehen mit dem Titel „Kultur- und Kreativpiloten“ des Bundeswirtschaftsministeriums ausgezeichnet worden. Und darum stellen wir sie in unserer Serie „Machen statt Quatschen“ vor.
„Vomhörensehen“ gehört zu den Kultur- und Kreativpiloten des Bundeswirtschaftsministeriums. Ab dem 15. Mai 2017 kann man sich bis zum 30.6.2017 für die nächste Runde bewerben.
Der Beitrag zum Mitlesen
Im Zug nach Bremen liest eine junge Mutter ein Buch. „Man müsste mal“, steht in großen Buchstaben drauf. Und eigentlich müsste man so vieles. Sich um Geflüchtete kümmern zum Beispiel.
Es gibt total viele Angebote in Bremen zum Thema Arbeit mit Geflüchteten, aber die sind sehr unsortiert und meist auch nur auf Deutsch verfügbar. Also haben wir gesagt, wir brauchen eine Website, die für Geflüchtete quasi als Wegweiser durch die Stadt dient. Da müssen alle Informationen gebündelt werden und das auf verschiedenen Sprachen.
Oder Kinder und Jugendliche davon abhalten, süchtig von Alkohol oder anderen Drogen zu werden.
Das Thema Suchtprävention ist ja eigentlich ziemlich unsexy, aber wir haben es mit dem Wettbewerb geschafft, ziemlich viele Jugendliche wieder an das Thema heranzuführen und quasi zu sagen: ‚Ich hab Bock, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ich dreh jetzt mal einen Kurzfilm‘.
Wer das sagt, ist Eiko. Eiko Theermann. Der ist eine Hälfte der Agentur vomhörensehen. Lars Kaempf ist die andere Hälfte. Und zu denen bin ich unterwegs. Denn „man müsste mal“ ist dort mehr als nur ein Spruch. vomhörensehen ist eine Agentur, die mediale Projekte macht. Projekte, die sich mit sozialen Themen beschäftigen. Und darum haben wir gesagt: Man müsste mal – die beiden besuchen.
Lars und Eiko machen Projekte als Medienpädagogen. Als Veranstaltungsplaner. Als Filmemacher oder Grafiker. Als Kampagnenplaner. Kurzum: in Bereichen, in denen man anderswo weit mehr Geld machen könnte. Aber vielleicht auch weit weniger bewirken würde.
Ich glaube, wir sind uns einerseits bewusst, dass wir in einer anderen Branche mehr Geld verdienen würden, aber andererseits können wir mittlerweile auch ganz vernünftig leben von dem, was wir hier machen. Weil wir bei Projekten einfach meistens größer denken. Zum Beispiel füllen wir oft Lücken, die eigentlich vom Staat gefüllt werden müssten. Zum Beispiel bei der Suchtprävention oder der Arbeit mit Flüchtlingen. Das ist kein Geheimnis. Das ist die Realität. Und wir machen das gut.
Wenn sie denn Lücken füllen, die der Staat hinterlässt: war es da nie reizvoll, selbst in den Staatsdienst zu gehen? Und all diese Themen im warmen, sicheren Schoß einer Behörde anzugehen?
(beide lachen) Lars: Wir haben da leicht unterschiedliche Werdegänge. Ich für meinen Teil kann sagen, dass ich mir das gar nicht vorstellen kann. Wir können selbst entscheiden was wir zu welchem Zeitpunkt machen und wie wir das umsetzen. Wir sagen ‚Hey wir haben da dieses soziale Projekt und es kann sein, dass da nicht so viel bei rumkommt, aber wir finden es wichtig, da was zu machen.‘ Bei Eiko ist es nochmal ein bisschen anders, weil er diese Behördenerfahrung schon mitbringt.
Eiko: Ja genau, ich hab schon in der ein oder anderen Behörde gearbeitet und kenne die ganzen Strukturen dort, was manchmal für uns von Vorteil ist. Ich weiß aber auch genau, dass das nicht meine Welt ist. Genau wie Lars bin ich gerne mein eigener Chef, arbeite meine eigenen Ideen aus und will flexibel sein.
Damit hier keine falsche Romantik aufkommt: Kreativwirtschaft heißt nicht, immer nur kreativ sein zu können. Da ist schon noch ein ordentlicher Batzen „Wirtschaft“ dabei.
Das ist immer ein Prozess, bei dem wir beide auch aufpassen müssen. Das ist ja immer noch ein Unternehmen hier und es gibt viele Sachen, die dem kreativen Unternehmer nicht so viel Spaß bringen. Wir müssen also immer eine gute Balance wahren, sodass nicht einer von uns zu viel oder zu wenig Kreatives macht. Heute schneidet einer von uns den Film und kümmert sich dafür morgen um die Buchhaltung oder die Umsatzsteuervoranmeldung. So gleicht sich das dann aus.
Der klassische Werber, der klassische Agentur-Mensch, der muss auch kreativ sein. Aber der hat einen Vorteil: es ist „nur“ sein Job. Was aber, wenn der Job bedeutet, Menschen in Krisensituationen zu helfen? Etwas tun, das aus sozialer Perspektive an jeder Ecke fehlt? Wie kann man da jemals Feierabend machen?
Die Sachen nicht immer mit nach Hause zunehmen, ist nicht so ganz einfach. Man muss auf jeden Fall aktiv daran arbeiten, das hinzubekommen. Gerade wenn es um solche Themen geht. Gerade wenn man zum Beispiel mit Geflüchteten arbeitet. Da sind so viele individuelle Geschichten dabei die einen eben auch sehr betroffen machen. Bei denen man immer helfen will. Und das machen wir auch, aber wir haben uns eben von Anfang an gesagt, dass uns privater Freiraum sehr wichtig ist. Dass uns zum Beispiel unser Wochenende wichtig ist. Wir können einfach viel besser arbeiten, wenn wir zwischendurch auch mal Kraft schöpfen. Dann sind wir schnell und effektiv.
Menschen wie Eiko Theermann und Lars Kaempf bekommen seit einigen Jahren eigene Stempel aufgedrückt. Sie heißen nicht mehr Gründer. Sie heißen Sozialunternehmer. Oder „Social Entrepreneurs“. Aber wichtig ist den beiden die Sache mit den Titeln nicht – die Sache mit der Selbstständigkeit und Ernsthaftigkeit aber schon.
Wir machen uns eigentlich um sowas nicht so viele Gedanken. Was wir machen, machen wir gerne und sehr leidenschaftlich und wie uns da andere wahrnehmen, ist uns, denke ich, relativ egal. Social Entrepreneurship ist zum Beispiel so ein Begriff, mit dem wir vor ein paar Wochen das erste Mal zufällig konfrontiert worden sind. So will ich nicht heißen, das ist viel zu kompliziert. Wir wollen weniger als Unternehmer oder Gründer wahrgenommen werden. Wir wollen viel mehr, dass die Leute, mit denen wir kooperieren, das Gefühl haben, dass sind ehrliche Jungs, die sind freundlich und professionell und mit denen kann man gut zusammenarbeiten.
Heute blicken sie auf über zwei Jahre Selbstständigkeit zurück – und gefragt nach Ratschlägen, die sie anderen geben können, die sich in der Kultur- und Kreativwirtschaft selbstständig machen wollen, müssen sie nicht lang überlegen:
Lars: Dass man ein gesundes Verhältnis zum Thema Risiko hat. Was wir von Anfang an gesagt haben: wir wollen nicht mega viel investieren. Sondern step by step.
Eiko: Achtung, jetzt wird es esoterisch. Nein, also ganz wichtig ist Vertrauen. Das Vertrauen in sich und darin, dass sich Dinge ergeben. Wenn bei uns einer mal gefrustet ist, sagt man sich gegenseitig, dass das schon wieder wird. Da ist es wichtig, Ruhe zu bewahren, wenn es stressig wird. Das Risiko gibt es, das gehört dazu. Aber das hat bei uns immer ganz gut funktioniert und das erzählen uns auch andere. Ruhe bewahren. Das führt am Ende zum Erfolg. Nicht das Ich-arbeite-mich-tod und ich muss für alle immer erreichbar sein.