Ober sticht Unter: Gesetz vs. Verordnung
Das Tierschutzgesetz ist klar in seinen Aussagen: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen […].“
Wie das im Einzelfall verstanden wird, das bleibt Ansichtssache. Die offizielle Auslegung hingegen ist bereits formuliert. Und zwar in den Verordnungen des Bundes. Sie liefern genaue Quadratmeterangaben und Mindestanforderungen, auch an die Schweinehaltung.
Eine Frage der Wirtschaftlichkeit
Die deutsche Schweinehaltung ist das Ergebnis einer Güterabwägung zwischen Verbraucherschutz, Tierwohl, Tiergesundheit, Arbeitsschutz, Emissionsschutz sowie der Ökonomie. – Deutscher Bauernverband
So äußert sich der Bauernverband in einer Stellungnahme zu dem Rechtsgutachten von Greenpeace. Doch bei der Abwägung aller Parameter fallen immer auch die Wirtschaftlichkeit und Konkurrenzfähigkeit mit den Preisen des internationalen Marktes ins Gewicht.
Wer schon einmal in einem Schweinemastbetrieb unterwegs war, der weiß: artgerecht ist das nicht. Legal aber schon. Zumindest bis jetzt, denn der Widerspruch zwischen beiden Rechtsgrundlagen – dem Tierschutzgesetz und der Verordnung über die Haltung – kann zum Aufhänger einer Klage werden.
Schweinehaltung auf dem Prüfstand?
Die gleiche Argumentation hat schon einmal funktioniert. Damals klagte Nordrhein-Westfalen gegen die Käfighaltung bei Legehennen. Das Bundesverfassungsgericht gab dem Land Recht und erklärte die Haltung für tierschutzwidrig.
Das Tierschutzgesetz steht über den Verordnungen. Verordnungen sind nichtig, wenn sie gegen das höherrangige Tierschutzgesetz verstoßen. – Dr. Christoph Maisack
Bis jetzt geht das aktuelle Rechtsgutachten lediglich an das Landwirtschaftsministerium. Wenn das keine Konsequenzen daraus zieht, hofft Greenpeace, eines der Länder zu einer „Normenkontrollklage“ zu bewegen. Diese greift genau die Argumentation einer Diskrepanz zwischen zwei Gesetzen auf. Klagen können hier nämlich nur Bundesregierung, Bundestag sowie die Landesregierungen.
Die Nachfrage bestimmt das Angebot
Fraglich bleibt, wie die Alternative aussieht, falls die jetzigen Verordnungen tatsächlich abgeschafft werden würden. Die Massenproduktion von Schweinefleisch ist ein großer Teil der deutschen Wirtschaft. Will man, dass Nutztiere ein besseres Leben haben, wird der Verbraucher um höhere Preise wohl nicht herumkommen.
Über das neue Gutachten von Greenpeace hat sich detektor.fm-Moderator Christian Eichler mit dem Juristen Dr. Christoph Maisack unterhalten, der sich seit Jahrzehnten mit Tierschutz befasst.
Redaktion: Bernadette Huber