Deutschland ist in der Stahlindustrie nur noch ein kleines Licht. Denn heutzutage kommt Stahl meist nicht mehr aus Duisburg oder Salzgitter, sondern vor allem aus China. Allein im vergangenen Jahr hat China knapp die Hälfte des Welt-Rohstahls produziert, alle 28 EU-Staaten zusammen kamen gerade einmal auf 10,2 Prozent.
Die einst großen Namen der Branche wie Thyssen-Krupp sind damit international fast bedeutungslos geworden. Wenn heute oder morgen die letzten deutschen Bastionen der Stahlproduktion fallen, wird das vor Ort dramatische Folgen haben, aber weltweit wohl kaum jemand davon Notiz nehmen.
Stahl-Aktionstag: Festhalten an alten Werten?
Wahrhaben will die Branche diese Realitäten allerdings nicht. So wirbt heute die IG-Metall gemeinsam mit den Betriebsräten von „thyssenkrupp Steel Europe“ bei einem bundesweiten Stahl-Aktionstag für den Fortbestand ihres Industriezweigs. Die Botschaft: „Stahl ist sexy.“
Doch sexy und sauber sind nicht wirklich Synonyme für Stahl. Kritiker werfen der Branche immer wieder Innovationsscheue vor. Denn die Krise des deutschen Stahls gründet sich aus ihrer Sicht im Festhalten an alten Konzepten.
„Stahl ist Zukunft“
In der Verzweiflung stehen sie zusammen. Am Stahl-Aktionstag gehen Wirtschaftsvertreter, Gewerkschafter, Bürgermeister, Minister, Betriebsräte und Vorstände Seite an Seite auf die Straße, um ihre Haltung zu demonstrieren: „Stahl ist die Zukunft.“ Wie zukunftsfähig ist denn eine solche „schmutzige“ Industrie wirklich? Da wäre schon was machbar, findet Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Wir würden uns wünschen, dass man den Klimaschutz als Innovationsmotor sieht. – Dirk Jansen, Naturschutzorganisation „BUND“-Landesverband Nordrhein-Westfalen
Ob die Branche in Europa eine Zukunft hat, hängt demnach nicht von den Entscheidungen der EU-Kommission ab. Die CO2-Zertifikate, so heißt es aus der Branche, seien mit rund einer Milliarde Euro für die deutsche Stahlindustrie angeblich nicht tragbar.
Diese Kritik ist nicht gerechtfertigt. Denn Fakt ist: bislang hat die Stahlindustrie in Deutschland massiv vom Emissionshandel profitiert (…). Sie sitzt geradezu auf einem Berg von ungenutzten Zertifikaten und kann damit sogar Geld verdienen.
Wie viel sie schon vom Zertifikate-Handel profitiert haben, geben die Stahl-Produzenten ungern preis. Bisher habe sie am Emissionshandel ganz gut verdient, meinen Kritiker wie Dirk Jansen. Er findet es darum nicht aufrichtig, wenn nun versucht wird, ausgerechnet die Klimapolitik für das Scheitern der Branche verantwortlich zu machen. Fehl-Investitionen, das Überangebot aus China und Missmanagement seien viel eher die Ursachen für die Misere der deutschen Stahlindustrie.
Das reflexartige Meckern gegen den Emissionshandel hilft uns nicht weiter. – Dirk Jansen
Der Stahl-Aktionstag richtet sich gezielt an die EU-Kommission. Aber hat der Niedergang der deutschen Stahlindustrie wirklich etwas mit der EU-Klimapolitik zu tun? Darüber hat detektor.fm-Moderatorin Karolin Doehne mit Dirk Jansen von der Naturschutzorganisation „BUND“ in Nordrhein-Westfalen gesprochen.
Redaktion: Kristin Lakva