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Bild: sisqu | pixelio.de

“This story has not been told” – Studie: Musikindustrie hat sich mit dem Napster-Verbot geschadet

Der Kampf gegen die Tauschbörse Napster hat die Musikindustrie nachhaltig geschädigt. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie. Der Kampf gegen Napster habe demnach Innovationen vernichtet. Eine Bilanz.

Es ist ziemlich genau elf Jahre her: am 1. Juli 2001 musste die Tauschbörse Napster ihre Server abschalten. Dem war ein jahrelanger Rechtsstreit mit der Plattenindustrie vorausgegangen. Die Musikindustrie hatte stets argumentiert: Tauschbörsen würden ihnen das Geschäft zerstören.

Jetzt hat ein amerikanischer Jurist eine Studie zu den Spät-Folgen dieses Napster-Verbots veröffentlicht. Und der Professor kommt darin zu keinem schönen Urteil: die gesamte Musikbranche habe sich mit dem Napster-Verbot selbst ins Bein geschossen. Warum die Studie zu diesem Urteil kommt, darüber sprechen Hendrik Kirchhof und Marcus Engert.


Das Gespräch zum mitlesen

Marcus, eine Studie darüber, welche Folgen das Ende der Tauschbörse Napster hatte. Wie kann man das denn feststellen? Schließlich ist Napster elf Jahre lang dicht?

Ja, es stimmt. Das, was wir meinen, wenn wir Napster sagen – nämlich eine peer-to-peer-Tauschbörse, mittels derer jedermann Dateien verteilen und erhalten kann – das wurde im Juli 2001 dichtgemacht. Das Ding ist: Napster war ein Vorreiter. Zwei Milliarden Dateien wurden damals über Napster geteilt. Napster stand symbolisch für viele neue Modelle, Versuche, Firmen, die alle irgendwas damit zu tun hatten, Musik, aber auch Filme usw., zu verteilen. Und zwar auf eine andere Art, als die, wo man in einen Laden geht und eine CD erwirbt.

Und diese Studie jetzt kommt zu welchem Ergebnis?

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die ganze Debatte rund ums Urheberrecht und neue Geschäftsmodelle bis heute unter dem Eindruck dieses Napster-Urteils steht. Oder mit anderen Worten: von Angst überformt ist. Denn statt darüber nachzudenken, wie neue Geschäftsmodelle aussehen könnten, was nach der CD kommt, was man den Leuten wie verkaufen kann – statt all das auszuprobieren, sei die Musikindustrie mit Heerscharen von Anwälten gegen diese Versuche vorgegangen.

Jetzt ist das eine Kritik, die ja viele äußern, auch ohne Wissenschaftler zu sein. Wozu braucht es denn dann heute eine amerikanische Studie über Napster?

Das spannende hieran ist, dass der Autor sich nicht für Statistiken interessiert hat. Für Umsätze oder Nutzerzahlen oder sowas. Sondern er spricht mit ehemaligen Plattenbossen, mit Vorstandsvorsitzenden, mit Partnern von Venture Capital Firmen, mit Gründern, mit Investoren – kurzum: mit 31 Menschen, die in diesem Markt wirtschaften. Und deren Aussagen hat er ausgewertet und zusammengezogen, mit dem Ergebnis: es gebe hier eine „story, that has not been told.“ Eine Geschichte, die bisher nicht erzählt wurde.

Welche Geschichte soll das sein?

Man habe enorm viel verloren. Fünf Felder identifiziert der Autor, die nach Napster zum Verlust gezählt werden müssten. Innovation, Venture Campital, Märkte, Innovatoren und Magie.

Innovation zum Beispiel: die Befragten sind sich einig, dass ohne das Napster-Verbot mehr Innovation den digitalen Musikbereich durchdrungen hätte. Stattdessen habe es zwischen 2000 und 2010 faktisch keinerlei Innovationen außer iTunes gegeben. Und mehr noch: einer rechnet vor, für jede geschlossene innovative Unternehmung wären zehn andere gar nicht erst gestartet worden.

Und das habe auch ausgestrahlt auf die Menschen dahinter, also Innovatoren. Auch Innovatoren hätten sich von der Musikindustrie abgewandt, seien also verloren gegangen. Einer der Befragten erklärt da, dass es im Prinzip unmöglich sei, als kleine neue Firma, mit den Labels Geschäfte zu machen. Denn die wöllten nur Kurzfrist-Geschäfte eingehen, und nach 1-2 Jahren Profit sehen. Und sobald irgendjemand profitabel sei, würden sie dieses Unternehmen aussaugen. Ein anderer Befragter sagt dazu: „Nobody has ever made money partnering with the record labels.“ – also: niemand habe je Geld verdient, weil er sich mit Plattenlabels verpartnert habe.

Das sind also Innovation und Innovatoren, die der Musikindustrie verloren gegangen seien. Du meintest noch, Venture Campital und Märkte seien ebenso weg.

Ja. Da erklärt einer der Befragten, ein VC-Manager, er habe nach Napster Dutzende Unternehmen dicht gemacht, wegen Bedenken in Richtung Labels und Lizenzen. Und wenn man heute ein Business rund um digitale Musik aufbauen würde, würden nur noch sehr wenige VC-Geber überhaupt zuhören. Die Risiken, erklärt da ein Manager, seien das einfach nicht wert. Die Plattenfirmen haben ein Monopol, das Urheberrecht sei zu strikt und die Strafen schlicht gigantisch. Oder anders: das Abmahnen sei ein besseres Geschäftsmodell als das Experimentieren.

Das aus Sicht der Investoren. Und aus Sicht der Märkte: auch da sei den Plattenfirmen in Folge der Napster-Schließung etwas verloren gegangen. Der Markt zahlungsbereiter Kunden nämlich. Napster sei damals gesehen worden als eine Basis mit goldenen Möglichkeiten. Man habe zwar noch nicht gewusst, wie man dieses Gold hebt. Aber immerhin sei eine große Gruppe potentieller Kunden auf einem Haufen gewesen. Und nach dem Zerschlagen dieser p2p-Börsen hätten die sich für eine unendlich lange Zeit und bis heute zersplittert in etliche zu kleine Teile.

Nun sagt der Autor der Studie ja, das alles sei eine Geschichte, die so noch nicht erzählt wurde. Wie meint er das denn?

Er meint damit, dass es natürlich empirisch, also in Zahlen, kaum möglich ist, verhinderte Innovation zu messen. Also, wenn man das einschätzen will, wie viel Innovation da verhindert wurde, dann wird das automatisch ne eher komplexe Geschichte. Und Studien, die eine Zahl ausrechnen, also im Sinne einer Summe, die durch Piraterie verloren gegangen sei, die produzieren einfachere Nachrichten und habens deswegen leichter.

Überhaupt kursieren auf diesem Gebiet nun einmal etliche Studien, die teils zu ganz gegensätzlichen Ergebnissen kommen. Manche meinen, direkte wirtschaftliche Verluste belegen zu können. Aber darum gings bei dieser Studie hier nicht. Sondern eher um die Folgen und deren Zusammhänge.

Mit anderen Worten: der Autor dieser Studie kommt zu dem Schluss, der Musikindustrie gänge es besser, wenn sie nicht so radikale Kämpfe gegen Napster und andere digitale Musik-Verteil-Formen gefahren hätte.

So muss man das wohl zusammenfassen. In der Zusammenfassung schreibt der Autor, manche dieser Verluste – wie Innovationen und Venture Capital – hätte die Gesellschaft als Ganzes zu spüren bekommen. Andere, wie die verlorenen Märkte, hätten die Labels selbst zu spüren bekommen. Und dann gebe es da noch einen Verlust, den die Fans zu spüren bekommen. Und das so in einer Studie zu lesen, hat mich fast ein bisschen überrascht. Aber es ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Er schreibt von verloren gegangener Magie. Die Labels hätten einen Krieg gegen alles Neue geführt, und damit die Magie rund um Musik zerstört. Und sie hätten die Magie erhalten können, wenn sie ihre Kunden nur unterschiedlich behandelt hätten, und nicht alle gleich.

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