Für manche besteht Freiheit darin, ohne Tempolimit über die Autobahn zu fahren. Anderen ist ein freier Zugang zu Bildung oder zur Gesundheitsversorgung wichtig. Und wieder andere betonen, dass unsere Freiheit vor allem aus den Rechten besteht, die uns das Grundgesetz in den Grundrechten der ersten Artikel garantiert: von der allgemeinen Handlungsfreiheit über die Pressefreiheit bis zur Eigentumsfreiheit. Die Vorstellungen davon, was Freiheit im Kern ausmacht, gehen also weit auseinander. Für Marietta Auer ist das kein Zufall: Schließlich tauche das Konzept in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens auf — und werde je nach Kontext und politischer Überzeugung immer wieder neu mit Inhalt angereichert.
Einigkeit und Recht und Freiheit
Wer verstehen will, wie sich der Freiheitsbegriff historisch entwickelt hat, muss interdisziplinär denken. Die Philosophie kommt hier zu anderen Antworten als die Rechtswissenschaft oder die Sozialwissenschaften. Marietta Auer hat gleich alle drei Fächer studiert und setzt mit ihrer Forschung an der Schnittstelle dieser Disziplinen an. Als Direktorin analysiert sie am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie in Frankfurt am Main die Ideengeschichte des Privatrechts. 2022 wurde sie dafür mit dem wichtigsten Forschungspreis ausgezeichnet, den Deutschland zu bieten hat: dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
In dieser Folge von „Ach, Mensch!“ spricht Marietta Auer mit detektor.fm-Moderatorin Charlotte Thielmann über das Freiheitsideal der Aufklärung, den Freiheitsgewinn ihres Jurastudiums und die Frage, warum Immanuel Kant, Peter Thiel und Janis Joplin mit Freiheit sehr unterschiedliche Dinge meinen.