Skelettteile schon vor 60 Jahren entdeckt
Als 1960 bei Minenarbeiten im marokkanischen Jebel Irhoud ein Schädelfragment gefunden wird, hält sich die wissenschaftliche Reaktion erst einmal in Grenzen. Das Fragment könnte von einem nordafrikanischen Vertreter der Neandertaler stammen. Die Radiokarbonmethode ist alles, was damals zur Verfügung steht, um den Fund zu datieren. Aber die reicht nur 40 – 60.000 Jahre zurück und irgendwie begnügen sich damals alle Beteiligten mit diesem Ergebnis.
Kampf durch den Abraum
Jahre später wächst das Interesse von Jean-Jacques Hublin an dem Fundort. Denn dem Neandertaler-Experten scheinen die Fragmente von einer anderen Art zu stammen. 2004 wird Hublin Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie EVA und im gleichen Jahr beginnt er mit neuen Ausgrabungen in Jebel Irhoud. Gemeinsam mit Kollegen vom marokkanischen Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine, kurz I.N.S.A.P., haben die Forscher seitdem noch einmal 16 Knochen- und Zahnfragmente geborgen. Zusammen mit den früheren Funden stehen ihnen insgesamt 22 Puzzleteile zur Verfügung.
Das kann man heute nicht mehr erkennen, weil das ein Steinbruch ist. Die Decke der Höhle wurde weggesprengt. Es wurden Tunnel reingegraben, die Fundstelle ist durch den Baryt-Abbau, der dort betrieben wurde, sehr schwer beschädigt. – Dr. Daniel Richter
Die Forscher hatten großes Glück. Das Gelände der ehemaligen Mine war zwar verschüttet, aber sie konnten die Reste einer ehemaligen Höhle identifizieren. Die Funde machten sie dann auf einer gerade einmal 40 mal 40 Zentimeter großen Fläche. Neben den Knochenfragmenten finden sie vor allem Werkzeuge, Feuersteinsplitter und Tierknochen.
Neue Verfahren enthüllen Bedeutung des Fundes
Neue Datierungsverfahren wie Thermolumineszenzdatierung und Elektronen-Spin-Resonanzdatierung (ESR) erlauben erstmals eine genaue Einschätzung des Alters der gefundenen Objekte. Messungen sowohl an einem Zahn als auch an den Werkzeugen weisen auf ein Alter von etwa 300.000 Jahren hin. Damit ist der Fund etwa 100.000 Jahre älter als die Funde von Omo Kibish in Äthiopien, die bislang als älteste Funde von Homo Sapiens galten.
Auch die fünf Individuen, deren Überreste die Forscher in Marokko entdeckt haben, gehören demnach zur Art Homo Sapiens. In zwei Publikationen in der Fachzeitschrift Nature stellen die Paläoanthropologen ihre Ergebnisse und Methoden vor. Die Einteilung zur Art Homo Sapiens haben die Forscher aufgrund der hohen anatomischen Ähnlichkeit mit heute lebenden Menschen vorgenommen.
Wieso sich die Forscher sicher sind, dass ihre Funde die Geschichte der Menschheit umschreiben, erfahren Sie im Beitrag von Mike Sattler.
Redaktion: Mike Sattler