Keine Frage der Optik
Er kann aus weniger mehr machen, formen und heben: der BH. Er verdrängte seit den 1920er-Jahren nach und nach das unbequeme Mieder. In den 70er-Jahren wurde der Büstenhalter als ein Instrument der Unterdrückung gesehen. In den 80ern wurde er zum edlen Modeaccessoire. Seine Geschichte zeigt, wie wandelbar und auch umstritten ein Kleidungsstück sein kann.
Mittlerweile ist der BH jedoch nicht mehr wegzudenken aus unserer Gesellschaft. Rund 90 Prozent der Frauen in Deutschland tragen ihn regelmäßig – auch wenn er meistens gar nicht gut passt. Dabei geht es nicht um die Farbe oder die Machart, sondern um die Form.
Jeder zweite Büstenhalter ist vom Tragekomfort kein Genuss. Natürlich gibt es ein paar Fehler, die beim Kauf gemacht werden. Doch auch die Industrie scheint nicht ganz unschuldig. Viele Modelle kneifen und sorgen für Druckstellen. Diese können nicht nur unangenehm sein, sondern auch gesundheitliche Schäden hervorrufen.
Druck, wo keiner sein sollte
Vor allem falsche Einstellungen oder unkomfortable Passformen der Träger sind hier ausschlaggebend. Schmale Träger in Verbindung mit großen Cups können zum Beispiel Deformationen des Bindegewebes bewirken. Zudem verläuft der BH-Träger meist im Schulter- und Nackenbereich.
Dort liegen auch viele Muskeln und Nerven. Sitzt der Träger falsch, kann es hier zu dauerhaften Druckstellen und tiefen Furchen kommen. Die wiederum schädigen das darunterliegende Gewebe. Kopfschmerzen und bleibende Verspannungen im Rücken-, Nacken-, Arm- oder Schulterbereich sind dann oftmals die Folge.
Das ist einer der Gründe, warum Forscher raten, den Büstenhalter zuhause ganz auszuziehen. Viele Frauen machen das sowieso. Es ist befreiend. Dass es nur deshalb eine Erleichterung ist, weil ihr Büstenhalter schlecht sitzt, merken jedoch die wenigsten.
Der Super-BH
An dieser Stelle setzt das Forschungsprojekt der Industriellen Gemeinschaftsverordnung (IGF) an. Mit der Hilfe von 3D-Vermessung möchten sie das Trägersystem verbessern, sodass gesundheitliche Folgeschäden zukünftig ausgeschlossen werden können. Die Wissenschaftler versuchen das Zusammenspiel von BH-Konstruktion, Brustvolumen und Druck im Schulterbereich zu bestimmen. Dafür müssen neue Messverfahren entwickelt werden.
Wie diese aussehen können, hat detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt mit Simone Morlock vom Hohenstein Institut für Textilinnovation besprochen. Die Diplom-Ingenieurin beschäftigt sich schon länger mit dem Büstenhalter. Am Ende könnte ihre Forschung eine neue Größentabelle für die Unterwäscheindustrie bedeuten.