Kontrollverlust bei Binge-Eating
Binge-Eating ist Schätzungen zufolge in Deutschland die am meisten verbreitete Essstörung. Gleichzeitig ist noch sehr wenig über die erst seit 2013 als eigenständige Krankheit anerkannte Störung bekannt. Betroffene leiden unter regelmäßigen Essattacken. Bezeichnend für die Krankheit ist dabei ein Verlust an Kontrolle. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften haben jetzt nach den psychologischen Hintergründen der Ess-Attacken geforscht. Das Ergebnis weist darauf hin, dass Binge-Eating-Patienten allgemein Probleme mit ihrem Entscheidungsverhalten haben – auch unabhängig vom Essen.
Getroffene Entscheidungen widerrufen
Im Versuch wurden den Probanden zwei Karten vorgelegt. Sie mussten sich für eine der Karten entscheiden, wobei eine der Karten wesentlich häufiger gewann als die andere. Nach einer Zeit änderte sich der Wert der Karten nach einem bestimmten Schema. Gewinner- wurden zu Verliererkarten. Die Probanden waren so gezwungen, eine einmal getroffene Entscheidung zu revidieren und flexibel auf sich ändernde Bedingungen im Experiment zu reagieren.
Dabei hat sich gezeigt, dass Menschen mit Binge-Eating-Störung auch unabhängig vom Essen Probleme im Entscheidungsverhalten haben. Die Erkenntnis passt wiederum zum klinischen Bild der Erkrankung. Obwohl sich Betroffene der psychischen und physischen Folgen durchaus bewusst sind, haben sie das Gefühl, nicht mit dem Essen aufhören zu können. Sie treffen damit im Zusammenhang mit Essen für sich eine schlechte Entscheidung. Im Gegensatz zu anderen Menschen schaffen sie es jedoch nicht, diese Entscheidung zu widerrufen und ihr Verhalten entsprechend anzupassen.
Algorithmus des Binge-Eatings
Bei dem Experiment ist auch die Hirnaktivität der Probanden gemessen worden. Dabei stellte sich heraus, dass sich die Entscheidungsschwäche auch dort ablesen lässt. Etwaige bessere Alternativen sind bei den kranken Probanden in bestimmten Gehirnbereichen kaum repräsentiert. Diese Gehirnbereiche sind wichtig, um auf eine veränderte Umwelt flexibel zu reagieren.
Für die Auswertung haben Neurowissenschaftler eine neuartige Methode verwendet, die sogenannte Computational Psychiatry. Ihr Ziel ist es, mathematische Algorithmen sowie computerbasierte Simulationen und Modelle zu entwickeln, um psychische Krankheiten besser zu verstehen.