Ende des Unrechts, Beginn der Aufarbeitung
Im Winter 1989/90 besetzen aufgebrachte Bürger die Zentralen des Ministeriums für Staatssicherheit in der ehemaligen DDR – erst in Dresden, Erfurt, Leipzig und dann in Berlin. Regina Schild beteiligt sich damals an den Demonstrationen in Leipzig und will mithelfen, das Unrecht der Stasi aufzudecken und aufzuarbeiten. Sie wird Mitglied des Bürgerkomitees und beginnt mit anderen Freiwilligen, die Stasi-Bezirksverwaltung in Leipzig zu sichern und zu durchsuchen.
Sie finden ganze Archive und Regale voller „verkollerte“ Unterlagen (das sind zu Klumpen zermahlene Akten, denen Wasser beigemischt worden ist) und Säcke mit zerrissenem Stasi-Akten. Insgesamt: 8.600 Meter Akten und 2.400 Säcke. Und sofort beginnen sie mit der Rekonstruktion der Unterlagen. Einige puzzeln Aktenschnipsel zusammen, andere machen sich mit dem Archivsystem der Stasi vertraut.
Wie weiter mit den Stasi-Akten?
25 Jahre später leitet Regina Schild die Leipziger Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde. Noch immer kommen zahlreiche Anfragen zur Einsicht in ihre Stasi-Akten und weiterhin setzen ihre Mitarbeiter Schnipsel zusammen und rekonstruieren so die Akten. Mittlerweile gibt es jedoch eine Software, die die Rekonstruktion beschleunigt: der ePuzzler.
ePuzzler setzt Stasi-Akten automatisiert zusammen
Vor der Zusammensetzung werden die Aktenschnipsel beidseitig gescannt und an einen Computer übertragen. Dort werden die Schnipsel dann auf verschiedene Merkmale wie Papierfarbe, Schriftfarbe, Schrifttyp usw. untersucht. Die passenden Teile werden so automatisch zusammengefügt.
Entwickelt wurde der ePuzzler am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK). Derzeit wird die Technik in einem Pilotprojekt getestet. Laut Projektleiter Jan Schneider wird in dem Test der Inhalt aus 400 Säcken gescannt und rekonstruiert. Bislang ist der Inhalt von 23 Säcken vollständig untersucht und wiederhergestellt worden.
Zukunftstechnologie mit ungewisser Zukunft
Die Technologie ist auch in anderen Bereichen interessant. So arbeiten die Forscher bereits mit dem Kölner Stadtarchiv zusammen, wo 2009 große Teile des historischen Archivs eingestürzt sind. Ob der ePuzzler weiterhin für die Rekonstruktion von Stasi-Akten eingesetzt wird, ist jedoch noch nicht sicher. Denn eine Expertenkommission, eingesetzt von der Bundesregierung, soll bis Frühjahr 2016 Vorschläge machen, wie es mit der gesamten Stasi-Unterlagenbehörde und damit auch mit dem Einsatz der Software für die Aufarbeitung weitergehen soll.
detektor.fm-Reporter Max Heeke hat mit Regina Schild die Archive der Stasi-Unterlagenbehörde in Leipzig besucht und sich am Fraunhofer-IPK von Projektleiter Jan Schneider den ePuzzler zeigen lassen.