Der freie Wille des Menschen ist lange ein rein geisteswissenschaftliches Thema gewesen. Das hat sich geändert, als in den 1960er-Jahren Wissenschaftler der Universität Freiburg das Bereitschaftspotential entdeckten. Das ist ein messbares Phänomen, das kurz vor willkürlichen Handlungen in der Großhirnrinde auftritt und deshalb als Vorbereitungsprozess von Handlungen interpretiert wird.
Das Libet-Experiment
Der US-amerikanische Physiologe Benjamin Libet kam auf die Idee, in einem Versuch zu messen, wann die subjektive Entscheidung zu einer Handlung erfolgt, wann im Gehirn das Bereitschaftspotential reagiert und wann die tatsächliche Handlung erfolgt. Der als Libet-Experiment bekannt gewordene Versuch hat große Aufmerksamkeit bekommen. Die Daten zeigen nämlich, dass bereits vor der bewussten Entscheidung ein Impuls im Gehirn messbar ist: Das negative Bereitschaftspotential steigt an. Eine mögliche Interpretation: Das Gehirn entscheidet unbewusst und der freie Wille als subjektive, bewusste und freie Entscheidung ist nur eine Illusion.
Neue Interpretation: Langsame Hintergrundschwankungen
Dr. Stefan Schmidt von der Universität Freiburg bietet eine neue Interpretation des Libet-Experiments an. Die messbaren Potentiale könnten nur eine Begleiterscheinung der Handlung sein, nicht aber dafür ursächlich. Befindet sich das Bereitschaftspotential im negativen Bereich, so ist eine Handlung wahrscheinlicher. Es wird ein innerer Impuls oder ein Bedürfnis verspürt zu handeln, weshalb in diesem Bereich des Potentials besonders oft Handlungen ausgeführt werden.
Freier Wille: Impulsen widerstehen
Das Experiment haben die Wissenschaftler der Universität Freiburg auch mit meditationserfahrenen Versuchspersonen durchgeführt. Aufgrund der Stabilisierung ihrer Aufmerksamkeit sind sie besser als Nicht-Meditierende in der Lage, innere Vorgänge zu beobachten. Einem Meditationsmeister ist es gelungen, den inneren Impuls zum Handeln, also die negative Schwankung, zuverlässig zu identifizieren. Folgte er dem Impuls, verstärkte sich das Bereitschaftspotential wie erwartet. Handelte er ohne Impuls, wurde es schwächer. Verzögerte er die Handlung nach dem Impuls, verschob sich auch das Bereitschaftspotential entsprechend.
Ein Beitrag von Konstantin Kumpfmüller.