In der Antike war der Austausch von Geiseln ein gängiges Mittel, mit dem sich Vertragspartner zur gegenseitigen Einhaltung ihrer Abkommen verpflichteten. Dazu zählten etwa freies Geleit durch fremdes Gebiet oder die Einhaltung eines Waffenstillstands bis zum Friedensvertrag. Die Geiseln wurden also nicht erbeutet, sondern zur Verfügung gestellt. Althistoriker sprechen daher auch von Geiselstellung und nicht von Geiselnahme.
Geiseln stammten oft aus königlichen Familien
Um die Verantwortlichen mit den Geiseln möglichst effektiv an die Verträge zu binden, wurden die Geiseln in der Regel aus deren direktem familiären Umfeld gewählt. Ein Beispiel solch prominenter Geiseln ist etwa Demetrius I. Soter. Demetrius war der Sohn des Königs des Seleukidenreichs, dem Rom die Herrschaft über das östliche Mittelmeer abtrotzte. Um ihn an die Friedensverträge zu binden, verlangte man seinen Erben als Geisel.
Geiseln waren klar von Kriegsgefangenen unterschieden und auch nicht als solche behandelt. Sie genossen relative Freiheit und ein Recht auf Unversehrtheit, solange der entsprechende Vertrag nicht gebrochen wurde.
Die Geiselstellung zur Vertragssicherung findet sich in Überlieferungen von der Antike bis in die Frühe Neuzeit. Der letzte Fall einer vertragsmäßigen Geiselstellung ist auf das Ende des 18. Jahrhunderts datiert. In der Moderne haben andere Sicherungsmechanismen zur Einhaltung von Verträgen die Geiselstellung abgelöst.
Brauchte Rom Geiseln zur Vertragssicherung? Unwahrscheinlich.
Auch die römische Republik der Antike praktizierte die Geiselstellung. Allerdings sah sich Rom durch seine militärischen Erfolge in der Situation, bis in die Kaiserzeit hinein nie selbst Geiseln an andere Staaten stellen zu müssen, sondern immer nur Geiseln fordern zu können. Überhaupt macht es die machtpolitische Überlegenheit Roms in der späten Republik unwahrscheinlich, dass Geiseln tatsächlich noch zwecks Vertragssicherung eingefordert wurden. Das glaubt zumindest Simon Thijs, der an der Universität Marburg über die Rolle der römischen Geiseln für die Außen- und Innenpolitik forscht.
Tatsächlich scheint im römischen Fall die Geiselstellung weitaus mehr Gewicht als Symbol gehabt haben: Sowohl für Rom, das als Geiselempfänger seine Überlegenheit gegenüber unterworfenen Staaten zur Schau stellen konnte, als auch für den jeweiligen Feldherren, der mit den Geiseln die Erfolge seiner Kriegszüge illustrierte.
Auch mag es für Rom von Vorteil gewesen sein, die Geiseln während ihres Aufenthalts in Rom zu romanisieren. Ihre Kenntnisse sowohl der römischen Kultur als auch der größe des Militärs kann in weiteren Verhandlungen mit dem Land des Geiselstellers von Vorteil gewesen sein. Allerdings sind auch Fälle überliefert, in denen die in ihre Heimat zurückgekehrten Geiseln auf Grund ihrer römischen Lebensart Misstrauen hervorriefen. Das überliefert etwa der Geschichtsschreiber Polybius, der selbst Geisel in Rom war, über Demetrius Onkel Antionchos Epiphanes.
Im Rahmen seiner Arbeit erstellt Thijs unter anderem eine historisch-geographische Datenbank, die es erlauben soll, die Räume zu erfassen, die Rom mit Geiseln absicherte. Seine Arbeit ist eingebunden in den Sonderforschungsbereich „Dynamiken der Sicherheit“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In anderen Projekten dieses Bereichs wird die Geisel- und Sicherheitspolitik bis in die Frühe Neuzeit untersucht.
Von Thijs‘ Arbeit und der Rolle der Geiseln in Rom berichtet detektor.fm Reporter Mike Sattler.