Auf der Suche nach der geraubten Kunst
Nawojka Cieślińska-Lobkowicz ist eigentlich Kunsthistorikerin. Dabei wäre Detektivin manchmal vermutlich eine passendere Bezeichnung. Seit den 90er Jahren beschäftigt Cieślińska-Lobkowicz sich mit den Verlusten der polnischen Kunstgeschichte durch die Nazis. Damals arbeitete sie noch als Botschaftsrätin für Kunst und Kultur in der polnischen Botschaft in Deutschland. Bei ihrer Arbeit sucht sie nach Kunstwerken, die während des Zweiten Weltkrieges von den Nationalsozialisten geraubt worden sind. Keine leichte Aufgabe.
„Sie sollten keine Kultur haben“
Während die Nationalsozialisten in Ländern wie Österreich oder Frankreich fast ausschließlich jüdische Kunstbesitzer enteignet haben, sind sie in Polen weiter gegangen. Auch dort war die jüdische Kunstwelt am schlimmsten betroffen. Allerdings blieben auch öffentliche Sammlungen nicht verschont.
Die schlimmsten Opfer waren Juden. Aber auch die Polen und die Slawen waren Untermenschen in einer gewissen Art und Weise. Das bedeutet, dass sie keine Kultur haben sollten. – Nawojka Cieślińska-Lobkowicz, Kunsthistorikerin
Kunstraub mit System
Dabei sei schon in vielen Fällen vor dem Überfall auf Polen klar gewesen, welche Kunstwerke geraubt werden sollten. So hat es in der Wehrmacht Einheiten gegeben, die einzig für den Kunstraub in Polen zuständig gewesen sind. Daneben hat außerdem zahlreiche Plünderungen von einzelnen Soldaten gegeben. Und schließlich gab es noch eine dritte Form – den „qualifizierten Raub“:
Es gab Fachleute, die genau wussten, was und wo sie etwas suchten. Man hat in Städten wie Łódź dann Versteigerungen gemacht, wo deutsche Funktionäre die geraubte Kunst für sehr wenig Geld kaufen konnten. – Nawojka Cieślińska-Lobkowicz
Viele Fälle bleiben ungelöst
Zwar ist es Fachleuten wie Cieślińska-Lobkowicz gelungen, einige Kunstwerke nach Polen zurückzuführen. Trotzdem bleibt ein Großteil der Kunstwerke wegen fehlender Beweise verschollen.
Welche Folgen hat der Kunstraub der Nazis in Polen? detektor.fm-Redakteur Lars-Hendrik Setz hat mit der Kunsthistorikerin Nawojka Cieślińska-Lobkowicz darüber gesprochen.
Das Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) widmet dem Thema Kunstraub im östlichen Europa in diesem Jahr eine Ringvorlesung. Unter dem Titel „Sieger auf Beutezug oder: Wem gehört die Kunst? Kunst und Kultur als Kriegsbeute in der Geschichte des östlichen Europa“ befassen sich Experten und Wissenschaftlern aus den verschiedensten Forschungsbereichen mit dem Phänomen Kunstraub und seiner Bedeutung. Mehr Informationen zur Ringvorlesung finden Sie hier.