Narzissmus: Eine Frage des Alters
Schon in vergangenen Zeiten haben sich die Alten über die Jungen und ihren Narzissmus beschwert. Die Nachwachsende werden von den vorausgehenden Generationen immer wieder als selbstverliebt und eingebildet dargestellt. Die Jugend sei schlimmer als alle anderen Generationen zuvor. Beschwerden wie diese lassen sich auch heutzutage hören. Doch die Forschung zeigt: Ganz so berechtigt ist das Klagen über die „Jugend von heute“ nicht.
Zwar stimmt es, dass jüngere Menschen narzisstischer sind als ältere. Dieser Effekt lässt sich aber durch die unterschiedlichen Lebensumstände erklären. Junge Menschen sind oft beruflich und sozial auf den eigenen Aufstieg bedacht. Um etwa im Job voranzukommen, kann Narzissmus in Maßen nämlich durchaus hilfreich sein. Mit fortschreitendem Alter nimmt die Nützlichkeit narzisstischer Persönlichkeitszüge aber ab. Daten aus den vergangenen Jahrzehnten zeigen zudem, dass es keine dramatischen Veränderungen bei der Selbstwahrnehmung in der Gesellschaft zu geben scheint. Und: Eine gewisse Dosis Selbstverliebtheit gehört tatsächlich zu einer gewöhnlichen Persönlichkeit dazu.
Verzerrtes Bild durch Social Media
Das verwundert zumindest auf den ersten Blick. Im Zeitalter sozialer Medien könnte man doch einen ganz anderen Eindruck gewinnen: Überall wimmelt es von Selbstdarstellung, von Menschen mit Geltungsdrang, von toxisch positiven Model-Menschen im Strandurlaub. Nimmt der Narzissmus also doch zu? Aktuelle Untersuchungen der Uni Münster legen das nicht nahe. Aber diese verzerrte Wahrnehmung durch Social Media lässt sich durchaus erklären.
Denn auch wenn die Zahl narzisstisch veranlagter Menschen insgesamt nicht zunimmt: Ihre Sichtbarkeit hat sich durch Instagram, TikTok und Co. deutlich verstärkt. Ihre Fotos und Videos erreichen mehr Menschen als je zuvor. Das verändert aber nicht die Gesellschaft insgesamt.
Wie narzisstisch sind wir als Gesellschaft? Wie nehmen selbstsüchtige Menschen sich selbst eigentlich wahr? Und was kann die Forschung noch über den Narzissmus herausfinden? Diese und weitere Fragen beantwortet Prof. Mitja Back von der Uni Münster in dieser neuen Ausgabe des Forschungsquartett. Der Experte für Persönlichkeitspsychologie hat zu diesem Thema auch gerade das Buch „Ich! Die Kraft des Narzissmus“ veröffentlicht. detektor.fm-Moderatorin Sara-Marie Plekat spricht mit detektor.fm-Redakteur Lars Feyen über seine Recherche zum Thema.