Die Idee eines einzigen Sprachzentrums im Gehirn ist alt. Bereits 1861 hat der französische Chirurg Paul Broca das nach ihm benannte Areal im Gehirn entdeckt, das offenbar für Sprache und ihre Verarbeitung zuständig ist. Menschen mit physischen Schäden in dieser Region können Sprache zwar verstehen, jedoch selbst kaum noch sprechen. Heute wissen die Hirnforscher mehr darüber, wie Sprache in unseren Köpfen funktioniert.
Aus dem Sprachzentrum ist ein funktionales Netzwerk geworden
Die Neurowissenschaften sind mittlerweile zu einer Leitwissenschaft geworden. Und die Funktionsweise des Gehirns wird nicht mehr ausschließlich mit dem Skalpell untersucht. Am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig werden Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren und nicht-invasiven Stimulationen – also ohne die Schädeldecke zu öffnen – durchgeführt. Und auch an das eine Sprachzentrum glauben die Forscher nicht mehr.
Die neuesten Erkenntnisse sind: Das Gehirn ist nicht so modular organisiert – man hat ein Areal, das hat eine Funktion, also das klassische Sprachareal. Sondern es sind ganz viele verteilte Areale, die zusammenarbeiten, und tatsächlich ist es eher die Zusammenarbeit innerhalb so eines Netzwerks, die die Spezifität ausmacht. – Gesa Hartwigsen, Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften
Das Gehirn konfiguriert sich ständig neu
Inzwischen sind nicht nur mehrere Regionen im Gehirn bekannt, die an der Sprachverarbeitung beteiligt sind. Die Wissenschaftler verstehen die komplexen Netzwerkstrukturen, in denen sprachliche Prozesse ablaufen, immer besser. Aber nicht nur die Struktur des Gehirns selbst ist faszinierend: Die Netzwerke der Nervenzellen sind flexibel. Das hat auch den Vorteil, dass Verletzungen am Gehirn zum Teil wieder ausgeglichen werden können.
Wie Wissenschaftler diese Prozesse beobachten und welche Erkenntnisse sie sich etwa für die Behandlung von Schlaganfallpatienten versprechen, darüber hat detektor.fm-Reporter Mike Sattler mit Dr. Gesa Hartwigsen vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften gesprochen.
Redaktion: Mike Sattler