Das Forschungsquartett – dieses Mal in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO)
Rechtsextreme im Festivalpublikum
Das Slawen- und Wikingerfestival im polnischen Wolin lockt jedes Jahr viele Menschen in die Kleinstadt an der Ostsee. Im dortigen Freilichtmuseum gibt es Kampfszenen zu beobachten, man kann mittelalterliche Speisen zu sich nehmen oder auf dem Marktplatz nach historischen Kostümen oder anderen Artefakten stöbern. Das zieht Besuchende nicht nur aus Polen, sondern auch aus den Nachbarländern an. Neben den Familien und Geschichtsinteressierten finden sich aber seit einigen Jahren auch verstärkt Rechtsextreme und Neonazis ein. Erkennbar sind sie etwa durch szenetypische Symbole.
Zweifelhafte Faszination für historische Rollenbilder
Nicht nur auf dem Festival in Wolin ist inzwischen ein starker Bezug auf historische Motive in der extremen Rechten zu erkennen. Oft berufen sich solche Bewegungen auf vorchristliche Gesellschaften wie die Wikinger. Also Gesellschaften, in denen etwa Gewalt als legitimes Mittel zur Konfliktlösung eingesetzt worden ist.
Vorstellungen von hierarchischen und männlich dominierten Gesellschaften, die von Menschen in der Szene als ethnisch einheitlich nordeuropäisch imaginiert werden, spielen im rechtsextremen Geschichtsbild eine wichtige Rolle. Während solche Vorstellungen von der vorchristlichen Vergangenheit etwa im katholischen Polen eher ein Randphänomen bleiben, werden sie zum Beispiel in Ungarn sogar staatlich gefördert. So sollen die politischen Forderungen der rechtskonservativen Regierung von Premier Viktor Orbán legitimiert werden.
Welche Rolle die Geschichte für Rechtsextreme spielt und wie die Gesellschaften auf dieses Phänomen reagieren könnten, erklärt Historikerin Dr. Karin Reichenbach vom Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa. detektor.fm-Redakteur Lars Feyen hat mit ihr über ihre Forschung gesprochen und berichtet in der aktuellen Ausgabe vom „Forschungsquartett“ im Gespräch mit Moderatorin Sara-Marie Plekat von seiner Recherche.