Das Forschungsquartett — dieses Mal in Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft
Unfreiheit in der osteuropäischen Kunstszene
Die Kunstszene hat in den meisten osteuropäischen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten viel Wandel erlebt. Während in den 1960ern bis in die 1980er viele Kunstschaffende unter dem politischen System, zum Beispiel der Sowjetunion (UdSSR) oder der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (CSSR), gelitten haben, hat sich die Situation in EU-Ländern in den 1990ern und 2000ern größtenteils verbessert, so die Bildwissenschaftlerin Hana Gründler vom Kunsthistorischen Institut in Florenz. Manche Länder vollziehen den Wandel noch immer: In Polen findet beispielsweise derzeit ein Wandel statt, nachdem Kunstschaffende unter der PiS-Regierung — und der Unfreiheit in der Kunst — gelitten haben.
Gerade in Russland ist es in den vergangenen Jahren wieder schwerer geworden, sich frei auszudrücken — das gilt auch in der Kunst. Vor allem seit dem Überfall auf die Ukraine 2022 müssen regierungskritische Künstlerinnen und Künstler mit Zensur, Unterdrückung und Verfolgung rechen. Deshalb formt sich künstlerischer Widerstand im Untergrund oder findet in subtiler Form statt. Die Künstlerin Alexandra Skotschilenko hat in einem Supermarkt beispielsweise Preisschilder gegen Schilder ausgetauscht, die den Krieg gegen die Ukraine thematisieren.
Macht Social Media uns unfrei?
Seit der Gründung von Facebook vor 20 Jahren haben soziale Netzwerke die Welt der Kommunikation grundlegend verändert: Menschen können nun nicht nur Informationen empfangen, sondern sie auch in kürzester Zeit teilen und versenden. Außerdem kann grundsätzlich jede Person ihre Meinung frei äußern, unabhängig vom sozialen und politischen Hintergrund.
Das verändert den öffentlichen Diskurs. Studien zeigen: Während extreme Meinungen und Hass zunehmen, scheint die demokratische Mehrheit immer leiser zu werden. Aus Angst vor Anfeindungen beteiligen sich immer weniger Menschen an Diskussionen auf Plattformen wie Facebook, Instagram und Co. Dazu kommt, dass die Platformen immer mehr Macht haben, da sie bestimmen, wem wann was angezeigt wird. Das nimmt einen Teil der Freiheit, alles teilen beziehungsweise sehen zu können.
Was darf auf der Straße noch gesagt werden?
Meinungsfreiheit und die Freiheit, sich auf der Straße ohne Anmeldung versammeln zu dürfen, gehören zu den wichtigsten Rechten in Deutschland. Sie sind beide fest im Grundgesetz verankert. Dennoch ist die gefühlte Meinungsfreiheit in den vergangenen Jahren deutlich zurück gegangen, so das Institut für Demoskopie Allensbach und Media Tenor International: Während im Jahr 2017 rund 63 Prozent angegeben haben, ihre Meinung frei äußern zu können, waren es 2023 nur noch 40 Prozent.
Auch in Hinblick auf Demonstrationen haben viele Menschen das Gefühl, dass es heutzutage mehr Unfreiheit, mehr Einschränkungen gibt. Verboten werden Protestzüge allerdings nur, wenn es die berechtigte Annahme gibt, dass sie verfassungswidrig sind — zum Beispiel wenn die Demonstrierenden gewalttätig werden. Das ist zuletzt bei propalästinensischen Demonstrationen passiert.
In welchen Bereichen wird die Gesellschaft unfreier und in welchen wirkt es nur so? Darüber sprechen detektor.fm-Moderatorin Sara-Marie Plekat und ihre Kollegin Alina Metz. Sie hat für die neue Ausgabe vom „Forschungsquartett“ mit Forschenden der Max-Planck-Gesellschaft gesprochen: Über die Kunstszene in Osteuropa berichtet die Bildwissenschaftlerin und Philosophin Hana Gründler vom Kunsthistorischen Institut in Florenz, über den öffentlichen Diskurs auf Social Media spricht Philipp Lorenz-Spreen vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und über die Freiheit auf der Straße klärt der Rechtsexperte Ralf Poscher vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht auf.
Das neue Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft mit dem Fokus „Unfreiheit“ erscheint am 8. April.