Jeden Tag treibt der Passatwind feuchte Atlantikluft an die Nordosthänge der Kanareninsel La Gomera und jeden Morgen bildet sich dort im Lorbeerwald dichter Nebel. Der Gipfel der Vulkaninsel ist so gut wie nie zu sehen, eigentlich hängt er immer in den Wolken. Nur dreihundertzwanzig Kilometer weiter, auf Fuerteventura, genießt man meistens klaren Himmel. Früher, sagt Dr. Frank Stratmann vom Leibniz Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), da regnete es auf Fuerteventura viel mehr. Heute ist dort nur Wüste. Früher gab es auf Fuerteventura nämlich auch Wald. Doch den hat man abgeholzt. Jetzt gibt es dort auch keinen Niederschlag mehr.
Besonders Regenwälder bilden um sich einen klimatischen Kreislauf. Diese Mikroklima sind hochkomplexe Systeme. Unzählige Faktoren scheinen die Funktionsweise zu beeinflussen. Einen dieser Faktoren haben Wissenschaftler vom TROPOS jetzt gemeinsam mit finnischen Forschern entschlüsselt: Wälder stoßen Stoffe aus, die indirekt zur Wolkenbildung beitragen.
Wälder erzeugen ihr eigenes Mikroklima
Wolken bilden sich, wenn die Luftfeuchtigkeit hoch ist und kleine Partikel in der Luft eine Oberfläche bieten, auf der die Wassermoleküle kondensieren können. Theoretisch könnten sie das auch alleine, aber dazu müsste die Luftfeuchtigkeit satte dreihundert Prozent betragen. Dazu kommt es in der Natur nie, weil immer irgendetwas in der Luft schwebt.
Lange gab es Wissenschaftlern ein Rätsel auf, wie die Partikel in der Luft die geeignete Größe und Oberfläche erreichen, um Wasser kondensieren zu lassen. Bis die Forscher der Universität Helsinki mit ihren Kollegen am TROPOS und dem Forschungszentrum Jülich den Prozess identifizieren konnten: Sie haben extrem schwerflüchtige organische Substanzen in der Luft nachgewiesen, sogenannte ELVOCs (extremely-low volatile organic compounds). Die lagern sich an bereits bestehende Partikel an und lassen sie wachsen, bis sie genau die Eigenschaften erreichen, die die Wassermoleküle kondensieren lassen.
Die ELVOCs wiederum konnten die Wissenschaftler als Produkte einer Oxidation flüchtiger organischer Verbindungen identifizieren. Die Aussgangsstoffe dieser Oxidationen sind von Pflanzen und Wäldern ausgestoßene Mono-Terpene. Mono-Terpene können vom Menschen als Gerüche wahrgenommen werden. Häufige Vertreter der Terpene in heimischen Wäldern sind beispielsweise Limonen oder α-Pinen. Im Süden dominiert das Limonen, das wir vom zitronigen Duft von Zitruspflanzen kennen.
Der Einfluss der Wälder betrifft also nicht nur tropische Regenwälder, sondern generell jeden Wald. Die Forscher haben die Teilchen nicht nur nachgewiesen, sondern sogar die chemischen Reaktionen genau bestimmen können. Auch wissen sie, welche dieser Terpene besonders geeignet sind, um zu ELVOCs zu oxidieren, und welche Gase in der Luft diesen Prozess auslösen.
Durch die Ergebnisse können in Zukunft Klimamodelle präziser sein. Um das Klima, selbst das Mikroklima, in Wäldern zu verstehen, sind die Terpene aber nur ein kleines Puzzlestück. Für die Wissenschaftler am TROPOS bleibt noch viel zu erforschen.
Mike Sattler berichtet über die Arbeit der Wolkenforscher im TROPOS.
Redaktion: Mike Sattler