Biomarker: Gentests als Chemotherapie-Hilfe?
Erkrankt eine Frau an Brustkrebs, gilt es, schnell zu handeln. Die Diagnose verändert das Leben von heute auf morgen und fordert Entscheidungen. Harte Entscheidungen. Eine davon lautet: Sind Operation und Chemotherapie nötig, oder nicht? Neben dem Arzt stehen der Patientin dabei noch andere Spezialisten zur Seite. Sie entscheiden basierend auf Merkmalen wie der Zahl betroffener Lymphknoten, der Tumorgröße und dem Gewebe das weitere Vorgehen – und damit bestimmte Therapien. Oftmals führt der Weg zur Chemotherapie.
Seit einigen Jahren gibt es hierfür eine zusätzliche Entscheidungshilfe: sogenannte Genexpressions-Tests, welche die Aktivität von Genen im Tumorgewebe messen. Diese Biomarker sollen besonders die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Chemotherapie erleichtern. Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt solche Gentests jetzt unter bestimmten Bedingungen. Sie spielen eine „zunehmend wichtige Rolle“ neben den klassischen Prognosefaktoren.
Die Biomarker identifizieren in der Tat auch Frauen mit einem niedrigeren Risiko. Die Frage ist einfach nur: Tun sie das besser, als das ein Arzt anhand von klinischen Kriterien machen kann. – Daniel Fleer, Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
Unklarheiten bei der Entscheidungshilfe
Während viele Mediziner Gentests als Entscheidungshilfe mittlerweile befürworten, sehen andere Experten das kritisch. Denn laut einer Studie des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) sind diese Tests nur zur Früherkennung von Nutzen. Den Verlauf der Erkrankung, so das Institut weiter, können sie aber nicht voraussagen – und somit auch nicht, welche Folgen der Verzicht auf eine Chemotherapie hätte.
Das ist auch ein weiterer Kritikpunkt von uns, dass man nur die Fernmetastasen betrachtet. Wir sind der Meinung, man muss jeglichen Rückfall betrachten. – Daniel Fleer
Ein anderer Faktor relativiert die Aussagekraft der Studien über Genexpressionstests. Denn: Der Nachbeobachtungs-Zeitraum der Brustkrebs-Erkrankungen beträgt nur fünf Jahre. Rückfälle oder die Bildung von Metastasen können aber noch 15 Jahre nach der ersten Behandlung auftreten.
In Deutschland erkranken rund 70.000 Frauen jährlich an Brustkrebs. Obwohl dieser mittlerweile in vielen Fällen als gut behandelbar gilt, sterben jedes Jahr dennoch etwa 17.000 Patientinnen daran. Bei Frauen ist Brustkrebs die häufigste Krebsart, aber auch Männer können betroffen sein.
Über die Vor- und Nachteile von Biomarkern bei der Behandlung von Brustkrebs hat detektor.fm-Moderator Christian Bollert mit Daniel Fleer gesprochen. Er ist Bereichsleiter beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.