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Seit Jahren gibt es Überlegungen, wie wir uns in Zukunft klimafreundlicher von A nach B bewegen können. Große Hoffnungen werden in Autos mit Elektromotoren oder Wasserstoff-Antrieb gesetzt. Doch keine der Technologien ist ausgereift. Noch sind also die alten Verbrennungsmotoren nicht wegzudenken. Bis dahin könnte mehr Biosprit das Fahren ökologischer machen – zumindest theoretisch. Denn praktisch steht Biosprit oft in Konkurrenz zu Lebensmitteln: Der Platz auf den Feldern kann eben entweder für Nahrungsmittel genutzt werden oder für Energiepflanzen – aber nicht für beides gleichzeitig.
Stroh als wertvolle nachwachsende Ressource
Nun aber kommt ein neuer nachwachsender Rohstoff für die Sprit-Produktion in Frage: Ganz normales Stroh. Das kann man zwar immer noch nicht zu Gold spinnen, aber immerhin zu Bio-Kraftstoff verarbeiten. Gleichzeitig entsteht dabei Biogas und ein Festbrennstoff, den man dann zum Heizen verwenden kann. Experten glauben, dass sich mit Stroh in Deutschland der Energiebedarf von Millionen Haushalten decken ließe. Im Beitrag erklärt Konstantin Zech vom Deutschen Biomasseforschungszentrum in Leipzig, wie die wundersame Umwandlung von Stroh in Kraftstoff funktioniert – und warum die erste große Anlage jetzt in Dänemark entsteht und nicht in Deutschland.
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Der Beitrag zum Nachlesen:
Stroh gibt es in rauen Mengen. Bauern nutzen es in der Tierzucht, oder sie pflügen es nach der Ernte einfach unter, um dem Acker Nährstoffe zurückzugeben. Doch die sonst scheinbar wertlosen Halme haben auch ein großes Energie-Potential. Forscher haben jahrelang daran gearbeitet, das zu nutzen und aus Stroh Kraftstoff für Autos zu gewinnen. Genauer: Bioethanol. Jetzt ist das Verfahren marktreif, in Dänemark entsteht gerade die erste große Anlage. Das Deutsche Biomasseforschungszentrum in Leipzig hat sich vor allem um die Wirtschaftlichkeit und die Klimaverträglichkeit des Verfahrens gekümmert. Konstantin Zech vom Biomasseforschungszentrum erklärt, wie die Umwandlung funktioniert:
Das Stroh wird zunächst zerkleinert und eingeweicht, und dann wird es mit Hilfe von Dampf und Druck in seine Einzelteile zerlegt, also in Cellulose, Hemicellulose und das Lignin. – Konstantin Zech
Lignin ist ein fester Stoff, er wird nach der Abtrennung einfach getrocknet und dann zum Beispiel zu Pellets verarbeitet, die man zum Heizen verbrennen kann. Für das flüssige Bioethanol kommt es auf die anderen beiden Bestandteile des Strohs an: Cellulose und Hemicellulose. Die Forscher mussten passende Enzyme finden und passende Hefen züchten, um diese beiden Bestandteile erst in Zucker und dann in Alkohol umwandeln zu können, sprich: in Ethanol.
Sie brauchen natürlich eine ganze Menge Dampf in dem Prozess, zum einen zum Spalten des Strohs, zum anderen zur Destillation. Es geht eine gewisse Menge Energie rein, aber insgesamt ist der Prozess ziemlich effizient. Sie können davon ausgehen, dass in etwa drei Viertel der Energie, die Sie vorne reinstecken, in Form von Stroh, Dampf und Elektrizität, hinten rauskommen als Produkte. – Konstantin Zech
Die Treibhausgas-Bilanz des Verfahrens ist am Ende deutlich besser als bei konventionellen Kraftstoffen, sagt Konstantin Zech. Gegenüber Benzin haben die Forscher eine Treibhausgas-Minderung von mindestens zwei Dritteln ausgerechnet.
Normale Biokraftstoffe schneiden wesentlich schlechter ab, allerdings hängt es sehr stark davon ab, wie man die Anlage aufbaut, das kann man nicht verallgemeinern. Aber so zwei Drittel bis 88 Prozent Treibhausgasminderung. – Konstantin Zech
Wie klimafreundlich das Bioethanol am Ende ist, hängt auch davon ab, wie weit man das Stroh bis zur Verwertungsanlage transportieren muss. Bei großen Anlagen kann das schon mal ein Radius von 200 Kilometern sein, schätzt Zech. Denn Anlagen wie die in Dänemark brauchen im Jahr mehrere hunderttausend Tonnen Stroh, da reichen ein paar einzelne Höfe nicht aus. Als Faustregel gilt: Für einen Liter Bioethanol braucht man 4 Kilogramm Stroh.
Allerdings fallen da ja auch noch eine ganze Menge andere Produkte an. Es fällt eine Menge Lignin-Pellets an, also Festbrennstoffe, und die ist energetisch größer noch als die Menge Ethanol, die anfällt. Und dazu kommt auch noch eine erhebliche Menge Biogas. Also das Ethanol ist nicht das einzige Produkt, wir haben diese drei Produkte: Festbrennstoff, Biogas und Ethanol. – Konstantin Zech
Die Anlage, die gerade in Dänemark gebaut wird, soll etwa 100 Millionen Liter Ethanol pro Jahr produzieren. Dass sie ausgerechnet in Dänemark entsteht, ist kein Zufall. Dort gibt es bereits einen etablierten Stroh-Markt, weil damit etwa Heizkraftwerke befeuert werden. Konstantin Zech sagt, dort sei es deshalb einfacher als in Deutschland, langfristige Verträge mit Landwirten zu schließen. Dennoch glaubt er, dass die Voraussetzungen auch in Deutschland nicht schlecht sind.
Wir gehen davon aus, dass man etwa 8 bis 13 Millionen Tonnen Stroh im Jahr energetisch nutzen könnte. Die allerdings regional sehr unterschiedlich anfallen, und die Versorgung solch großer Anlagen ist dann nicht immer sinnvoll gewährleistet. – Konstantin Zech
Denn im Norden Deutschlands fällt deutlich mehr Stroh an als im Süden. Insgesamt gäbe es aber genug für mindestens vier große Anlagen im Land. Damit ließen sich mehrere Millionen Haushalte mit Strom und Wärme versorgen. Doch ob deutsche Bauern überhaupt bereit wären, ihr Stroh zu verkaufen, ist eine andere Frage – vor allem wohl eine Preisfrage.
Der Preis würde vermutlich steigen, zumal Sie, wenn Sie so eine Anlage gebaut haben, das Stroh auch brauchen. Das heißt, Sie werden tendenziell bereit sein, auch einen relativ hohen Preis zu zahlen, und die Preise sind derzeit noch sehr unterschiedlich, je nachdem, wo Sie das Stroh kaufen, aber die sind etwa zwischen 50 und 150 Euro pro Tonne. – Konstantin Zech
Und mit 150 Euro pro Tonne Stroh, da ist sich Konstantin Zech sicher, ließe sich das Ethanol nicht mehr wirtschaftlich produzieren. Derzeit wird hierzulande also weiter experimentiert, bislang gibt es nur eine kleine Forschungsanlage in Straubing. Noch ist also offen, ob sich die Technologie auch in Deutschland durchsetzen kann.