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Alte Bergwerke hinterlassen bis in alle Ewigkeit Narben in der Landschaft. Unterirdisch sowieso, oft aber auch an der Oberfläche – in Form kilometerweit sichtbarer, pyramidenförmiger Halden aus Bergbau-Abfällen.
Häufig enthalten sie Gifte. Sind die Halden nicht abgedichtet, dann gelangen diese Stoffe ins Grundwasser. Solche Halden müssen aufwändig saniert werden.
Alte Halden bergen ungeahnte Schätze
Manchmal kann es sich aber auch aus noch einem anderen Grund lohnen, sich mit dem alten Material genauer zu beschäftigen: Es könnten noch wertvolle Rohstoffe darin enthalten sein, etwa Zinn, Molybdän oder Indium. Moderne Technologien brauchen heute andere Metalle als vor 50 oder 100 Jahren. Deshalb kann manches von dem, was Bergleute früher auf Halden entsorgt haben, heute wertvoll sein. Forscher des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie versuchen deshalb, mit modernen Verfahren aus dem Abfall neue Wertstoffe zu gewinnen.
Wie das geht, erklärt im Beitrag von Hendrik Kirchhof der Projektleiter Philipp Büttner.
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Der Beitrag zum Nachlesen:
Aus Gesteinsbrocken und Erzen die wertvollen Mineralien oder Metalle zu gewinnen, ist kompliziert. Heute gibt es dafür bessere Verfahren als vor 50 oder 100 Jahren. Aus dem, was die Bergleute damals auf Halden entsorgt haben, ließen sich heute vielleicht noch wertvolle Rohstoffe gewinnen. Forscher vom Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie untersuchen deshalb zwanzig alte Halden in Sachsen. Zwei davon sind besonders interessant, sagt Projekt-Koordinator Philipp Büttner:
Das sind zwei verschiedene Halden-Typen. Zum einen wurde da Zinn abgebaut, das war in Altenberg. Bei der anderen Halde hier in Freiberg wurde Blei und Zink abgebaut. – Philipp Büttner
Auf beiden Halden machen die Forscher jetzt umfangreiche Testbohrungen. In der Halde in Altenberg stecken noch Zinn-Reste. Davon wollen sie möglichst viel herausholen, weil Zinn auch heute noch ein wertvoller Rohstoff ist.
Wenn man alles rausbekommen würde, würde man aus Haldenkörper wie in Altenberg, der in etwa 4 Millionen Tonnen Material hat, würde man noch 6.000 Tonnen Zinn in etwa rausbekommen. Im Optimalfall, wenn man 100 Prozent rausbekommen würde. Und das hätte heute einen Marktwert von etwa 100 Millionen Euro. – Philipp Büttner
So weit die Theorie. Aber in der Praxis, sagt Philipp Büttner, bekommt man auch mit modernsten Methoden nicht alle Zinn-Reste aus so einer Halde heraus. Deshalb laufen derzeit die Untersuchungen, ob und wie sich eine Wiederaufbereitung lohnt. Die Technologie dafür ist grundsätzlich vorhanden.
Es gibt da eine Vielzahl von Maschinen, die haben aber, es gibt eben tausend Einstellungsmöglichkeiten, und diese Einstellung zu finden, das ist eigentlich so die Herausforderung auch an der Geschichte. Man muss also erst mal muss man diese Chemikalien finden oder Hilfsstoffe, die das optimal einstellen, diesen Prozess, und dann muss man eben auch noch verschiedene Parameter einstellen. Das ist also eine ganz komplexe Sache, und man muss schauen, wie das Material darauf anspricht eben. – Philipp Büttner
Auch in Freiberg konnten die Bergleute damals nicht alles Blei und Zink vom Gestein trennen, auch dort wären auf der Halde noch viele Reste zu holen. Aber Blei und Zink ist heute weniger interessant als damals.
Dafür würde sich es jetzt nicht lohnen, so eine Halde wieder abzutragen. Und wir schauen dann halt, kann man jetzt mit Leaching-Verfahren auch zum Beispiel an Indium rankommen. Also Indium ist ein Zielwertstoff, den wir in Freiberg versuchen mit Bio—Laugen anzugehen. Und da müssen wir jetzt erst mal schauen, wie kommen wir an das Material ran. – Philipp Büttner
Indium steht auf der Liste der so genannten „strategischen Metalle“. Das sind Metalle, die für die Wirtschaft unverzichtbar sind. Deswegen könnte es sich dafür besonders lohnen, die Abfälle noch einmal auszuschlachten. Aber noch ist auch hier offen, ob es sich rechnet.
Wir haben ja in Deutschland eine Hochtechnologiewirtschaft, und die ist natürlich sehr abhängig von gewissen Rohstoffen. Also das sind alles Rohstoffe, die eine strategische Bedeutung auch für die gesamte Wirtschaft haben. Und da schauen wir eben auch danach, was können wir da mit diesen Halden wirtschafts-strategisch auch erreichen. – Philipp Büttner
Zu den strategischen Metallen zählen auch Wolfram, Lithium oder Molybdän. Auch sie finden sich womöglich noch in den alten Halden. Solche Rohstoffe werden für Akkus gebraucht, für Bildschirme, Flugzeuge oder moderne medizinische Geräte. Als die Bergwerke noch in Betrieb waren, gab es für viele dieser Metalle noch keine Verwendung – man hat sich schlicht nicht dafür interessiert. Die sächsischen Wissenschaftler denken jetzt auch an die Zukunft und erfassen bei ihren Bohrungen eine möglichst breite Palette an Stoffen.
So dass man auch sagen kann, selbst wenn sich es jetzt nicht lohnt, da irgendwas abzubauen, haben wir aber eine gewisse Datenbank und können dann sagen, wenn jetzt in 20 Jahren der Stoff xy, wie auch immer, benötigt wird von der Wirtschaft, wissen wir genau, aha, da könnte was drin sein. – Philipp Büttner
Viele der Stoffe lassen sich natürlich auch auf konventionellem Wege abbauen. Doch dafür müsste man aufwändig neue Bergwerke einrichten. In den alten Halden dagegen liegt das Material schon an der Erdoberfläche und ist schon vorverarbeitet – die Rohstoff-Gewinnung könnte deutlich billiger sein und weniger Energie benötigen, glauben die Wissenschaftler. Zumal viele der Halden sowieso saniert werden müssen. Denn so, wie sie jetzt sind, dringt der Regen ein und spült Giftstoffe ins Grundwasser.
Diese Halden sind ja in etwa in den 60er-Jahren entstanden, die sind also nicht irgendwie abgedichtet, und je nachdem, welches Erz eben verarbeitet wurde, da hat man dann eben auch Belastungen drin wie beispielsweise Arsen oder eben Cadmium. Und das trägt natürlich eine hohe Menge von Cadmium beispielsweise in die Flüsse ein, und das ist messbar bis Hamburg. – Philipp Büttner
Die Idee ist also, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Neue Wertstoffe aus den Halden zu gewinnen und gleichzeitig Schadstoffe herauszufiltern. Hinterher blieben zwar immer noch große Halden übrig, aber wenigstens wären sie sauber. Die dabei neu gewonnenen Wertstoffe könnten gleichzeitig die Sanierung refinanzieren. Ob der Plan aufgeht, zeigt sich frühestens Ende 2015, wenn die ersten Untersuchungen in Sachsen beendet sind.