Für den Klimawandel spielt der Straßenverkehr eine besondere Rolle: Mehr als ein Fünftel der CO2-Ausstöße weltweit stammt aus den Auspuffen von Autos und Lastern. Und dieser Anteil könnte weiter steigen, denn in großen Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien oder Südafrika können sich immer mehr Menschen ein Auto leisten, der Verkehr wächst also. Deshalb ist es wichtig, dass Schwellenländer von vornherein darauf achten, ihren Verkehr möglichst nachhaltig zu entwickeln.
Dafür gibt es verschiedene Lösungsansätze: von strategischer Stadtplanung über bessere öffentliche Verkehrsmittel bis zu politischen Maßnahmen wie neuen Steuern. Wie das genau funktionieren könnte und welche Rolle das Know-how der Industrienationen dabei spielt, haben Experten in einer Studie für das Umweltbundesamt untersucht.
Über die Ergebnisse hat Hendrik Kirchhof mit Hedwig Verron gesprochen, Expertin für Umwelt und Verkehr vom Umweltbundesamt.
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Der Beitrag zum Mitlesen:
Je wohlhabender ein Land ist, desto mehr Autos rollen auf den Straßen. Für den Einzelnen bedeutet Mobilität mehr Lebensqualität. Doch das globale Klima verkraftet keine weiteren Abermillionen Autos in Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien. Deshalb suchen Experten nach Wegen, wie der Verkehr dort nachhaltig wachsen kann. Und nachhaltig bedeutet mehr als nur klimafreundlich, sagt Hedwig Verron, Expertin für Umwelt und Verkehr beim Umweltbundesamt in Dessau:
Nachhaltig ist der Verkehr dann, wenn er sowohl Zugang bietet, also den Menschen die Möglichkeit, sich zu bewegen und ihre Ziele zu erreichen, aber gleichzeitig nicht die Gesundheit beeinträchtigt, nicht zu Unfällen und Todesfällen führt, nicht die Natur so beeinträchtigt, dass sie sich nicht mehr regenerieren kann, und die Ressourcen nicht aufzehrt und damit den künftigen Generationen nichts mehr übrig lässt. – Hedwig Verron
Die Schwellenländer selbst sind an nachhaltigem Verkehr interessiert. Denn die steigende Zahl von Autos auf ihren Straßen gefährdet nicht nur abstrakt das Klima in ferner Zukunft. Die Länder spüren die Folgen ganz unmittelbar:
Weil sie sehr hohe Unfallzahlen haben, weil sie hohe Luftverschmutzung haben, und sehr viele Menschen wandern innerhalb von sehr kurzer Zeit in die Städte, das heißt es kommt zu sehr vielen Staus, also die Infrastruktur ist diesem Verkehr nicht gewachsen. Und schon von daher haben alle Länder im Grunde ein Interesse, oder müssen ein Interesse haben an nachhaltiger Verkehrsentwicklung. – Hedwig Verron
Die Industrienationen haben auf dem Weg dahin eine zwiespältige Rolle. Einerseits geben sie nicht gerade ein gutes Beispiel ab: Ihre Bürger haben jahrzehntelang hemmungslos Sprit verfahren und Abgase in die Luft geblasen. Andererseits können die Erfahrungen daraus für Schwellenländer sehr wertvoll sein. Denn auch im reichen Westen ist das Verkehrsaufkommen nicht überall gleich hoch.
Wir sehen ja einen ganz großen Unterschied zum Beispiel zwischen Nordamerika und Europa. In Europa liegt die Motorisierung niedriger, in Europa sind die Fahrweiten geringer, ist das Verkehrsaufkommen insgesamt geringer, dann sieht man, da gibt es schon einen Spielraum. Also man muss nicht davon ausgehen, dass ein steigendes Einkommen notwendig zu sehr hohen Verkehrszuwächsen führt. Es lässt sich gestalten. – Hedwig Verron
Besonders gut gestalten lassen sich Verkehrssysteme vor allem in wachsenden Städten. Ein gutes Vorbild dafür haben die Experten in China gefunden. Die dortigen Stadtplaner haben versucht, Satellitenstädte zu gründen, die an den Hauptverkehrsachsen liegen und eigene Zentren haben.
Und die es möglich machen, auch kurze Wege zurückzulegen, die eigene Versorgungen anbieten, die Möglichkeit, zu Fuß zu gehen und mit dem Rad zu fahren, und trotzdem auch eine gute Anbindung an das Gesamtzentrum, an das Oberzentrum bieten, weil sie eben an den Achsen des öffentlichen Verkehrs liegen. – Hedwig Verron
Diese stadtplanerische Lösung aus China lasse sich gut auf andere Länder übertragen, zumal die oft ähnliche Probleme und einen vergleichbaren Entwicklungsstand haben. Wie eine Alternative zum Autofahren in Ballungsräumen funktionieren kann, zeigt die Millionenstadt Curitiba in Brasilien. Dort gibt es ein sehr ausgeklügeltes öffentliches Bussystem mit besonders großen Fahrzeugen. Die Haltestellen bestehen aus leicht erhöhten Röhren mit stufenlosem Zugang zu den Bussen.
Das Besondere an diesem Busverkehr ist, dass es ein Schnellbus-Verkehrssystem ist, auf eigenen Trassen, mit sehr gut zugänglichen Haltestellen, einem guten Informationssystem und einer darauf abgestimmten Stadtentwicklung. Dieses System ermöglicht dann eben vielen Leuten, den Bus zu benutzen und hat dazu geführt, dass auch die Autonutzung doch nicht so stark angestiegen ist wie anderswo. – Hedwig Verron
Auch Steuern können helfen, den Verkehr nachhaltiger zu machen. Tatsächlich gibt es noch immer arme Länder, die Kraftstoff subventionieren. Sinnvoller wäre das Gegenteil, meint Hedwig Verron: Etwa eine Kraftstoffsteuer zu erheben. So kämen die Regierungen zugleich an Geld für bessere Infrastruktur. Wie in Tansania, das erstmals eine Mineralölsteuer eingeführt hat.
Das ist auch nicht so ganz ohne Probleme in einem Land, wo es wenig Institutionen gibt, die so was überhaupt durchführen können. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt überhaupt: Gibt es jemanden, der das Geld verwalten kann. Und dann auch dafür sorgt, dass das Geld an der richtigen Stelle ausgegeben werden kann und nicht im Haushalt versickert. – Hedwig Verron
Deshalb sollten Industrienationen nicht nur Geld für einzelne Verkehrsmaßnahmen geben, sagt Hedwig Verron. Oft können sie schon vorher mit ihrem Wissen helfen – etwa indem sie die ausführenden Institutionen mit aufbauen oder den Bedarf für bestimmte Projekte analysieren. Denn gerade für nachhaltigen Verkehr sind Gesamtkonzepte gefragt, nicht einzelne Projekte.