Krawallstimmung und Entsetzen herrschten Anfang 2014 nahezu weltweit unter Berufsdenkern, an philosophischen Lehrstühlen und in den Feuilletons: Die “Schwarzen Hefte” standen kurz vor der Veröffentlichung. 34 schwarze Wachstuchhefte, denen Martin Heidegger zeitlebens Gedanken und Überlegungen aller Art anvertraute.
Es rumort im Denkerland
Es rumorte schon im Vorfeld, einzelne Zitate gerieten noch vor der Veröffentlichung in Umlauf. Zitate, die Heidegger als Antisemiten ausweisen. Ein schwerer Schlag für seine Verehrer. Die wollten die Veröffentlichung verhindern und machten Druck – auf den Verlag, die Familie, den Herausgeber.
Trotzdem sind die ersten drei Bände mit Heideggers Notizen aus den Jahren 1933 bis 1941 im März erschienen. Die Schwarzen Hefte vervollständigen damit die Gesamtausgabe eines der bedeutendsten, aber auch umstrittensten Denker des 20. Jahrhunderts.
Heidegger im NS-Regime
Umstritten, weil sich Heidegger im nationalsozialistischen Deutschland engagierte. 1933 wurde er von den Nazis zum Rektor der Freiburger Universität ernannt. Mit Begeisterung stand Heidegger damals auf der Seite dessen, was er eine “nationale Revolution” nannte – auf der Seite des Nationalsozialismus.
Doch schon nach einem Jahr legte Heidegger sein Amt als Universitätsrektor nieder. Später wird er dazu erklären, er habe sich aus politischen Gründen vom Nationalsozialismus entfernt. Daran gab es schon immer Zweifel, nicht zuletzt auch, weil Heidegger bis zum bitteren Ende zahlendes Mitglied der NSDAP blieb.
Sein Denken machte dennoch weltweit Schule, sein Werk wurde in alle möglichen Sprachen übersetzt und vor allem französische Denker wie Michel Foucault beispielsweise sind stark beeinflusst von Heideggers Seinsphilosophie.
Auch in Deutschland wurde und wird er verteidigt – trotz Nazi-Vergangenheit, und obwohl aus Briefwechseln einzelne antisemitische Äußerungen schon früh bekannt waren. Man müsse Werk und Autor getrennt betrachten, hieß es immer wieder – und die Person Martin Heidegger, seine politischen Verfehlungen getrennt von seinem philosophischen Denken sehen.
Spätestens nach der Veröffentlichung der “Schwarzen Hefte” ist das unmöglich, meint Thomas Vašek. Er ist Chefredakteur des Philosophie-Magazins HOHE LUFT . Hier erschien sein Beitrag zur Heidegger-Debatte unter dem Titel “Ein totalitärer Denker”. Heideggers Philosophie sei anti-liberal, anti-demokratisch, anti-humanistisch, heisst es da.
Mit dem in sozialen Netzwerken verbreiteten Hashtag #schlussmitheidegger plädierte das Magazin auch über akademische Kreise hinaus dafür, endlich mit der Verteidigung des umstrittenen Philosophen Martin Heidegger aufzuhören. Darüber, über Heideggers „Schwarzen Hefte” und über deren Bedeutung für die Philosophie hat Jennifer Stange eine knappe Stunde mit Thomas Vašek gesprochen: