Prekäre Arbeitsbedingungen
Bereits vor zwei Jahren hat der Bundesbericht „Wissenschaftlicher Nachwuchs“ bescheinigt, dass in Deutschland viele Nachwuchswissenschaftler in prekären Verhältnissen leben. Acht von neun wissenschaftlichen Mitarbeitern haben einen befristeten Vertrag, oftmals reicht dieser nicht einmal über ein halbes Jahr hinaus. Selbst bei mehrjährigen Forschungsprojekten, müssen sich die Nachwuchskräfte schon nach kurzer Zeit um ihre Verlängerung bemühen.
Wissenschaftszeitvertrag
Festgeschrieben ist die Befristung im Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das 2007 abgeschlossen worden ist. Ursprünglich sollte das Gesetz die Flexibilität der Hochschulen gewähren, wird jedoch mittlerweile unterwandert und dazu genutzt, wissenschaftliche Mitarbeiter in Kurzzeitverträgen ohne Perspektive auf eine unbefristete Anstellung zu halten.
Bildungsministerin Johanna Wanka hat im März angekündigt, den Wissenschaftszeitvertrag zu reformieren und etwa Halbjahrestellen abzuschaffen. Bisher steht ein Entwurf für ein neues Wissenschaftszeitvertragsgesetz jedoch noch aus. Ohne eine Reform dieses Gesetzes können nur schwer unbefristete Stellen geschaffen werden.
Befristete Stellen nach dem Wissenschaftszeitvertrag betreffen vor allem den sogenannten akademischen Mittelbau, wissenschaftliche Mitarbeiter also, die über keine Habilitation verfügen oder generell keine Professorenstelle anstreben.
Tenure Track-Stellen
All jenen, die bereits Juniorprofessor sind oder eine Professur anstreben, möchte Ministerin Johanna Wanka künftig mit Hilfe sogenannter „Tenure Track“-Stellen unter die Arme greifen. Dieses Modell wird bereits in den USA praktiziert, in Deutschland wendet es bisher nur die TU München an. Tenure Track-Stellen sehen eine Probephase von sechs Jahren für Assistenzprofessoren vor, die nach erfolgreicher Absolvierung eine unbefristete Professur erhalten.
Robin Mishra vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung erläutert die Vorteile des Tenure Track-Programms, während Franziska Naether, Mitglied der Mittelbauinitiative Leipzig, kritisiert, dass dadurch ein zu großer Fokus auf Professurstellen gelegt wird.
Redaktion: Lisa Hänel
Der ganze Beitrag zum Nachlesen:
84 Prozent aller wissenschaftlicher Mitarbeiter sind befristet angestellt. Das sagt der Bildungsbericht 2014. Hinzu kommt, dass die befristeten Verträge für Mitarbeiter an deutschen Hochschulen oft nicht über ein halbes Jahr hinaus reichen. So hangeln sich deutsche Nachwuchswissenschaftler von Kurzzeitvertrag zu Kurzzeitvertrag. Planung und Sicherheit bleiben auf der Strecke. Nun hat Bildungsministerin Johanna Wanka einen Vorstoß gewagt. Sie hat angekündigt ein Bundesprogramm auf den Weg zu bringen, um mehr unbefristete Professorenstellen und längere Verträge für wissenschaftliche Mitarbeiter zu schaffen. Im folgenden Beitrag schaut sich meine Kollegin Lisa Hänel das neue Bundesprogramm mit seinen Vor und Nachteilen einmal genauer an.
Eine akademische Karriere gleicht in Deutschland für viele einem Drahtseilakt. Jahrelang müssen sich wissenschatliche Mitarbeiter an Universitäten mit befristeten Verträgen abfinden. Franziska Naether von der Mittelbauinitative Leipzig beschreibt die Arbeitswirklichkeit vieler Wissenschaftler.
Das ist definitiv die Lebenswirklichkeit von Nachwuchswissenschaftlern: mit und ohne Stelle, mit halber Stelle, mit viertel Stelle; Ich habe auch schon von Achtelstellen gehört. Und natürlich alles mit Befristung, da ist alles mit dabei. Die meisten haben eine Befristung von unter einem Jahr. Und insgesamt sind in Deutschland 90 Prozent der Mitarbeiter an Universitäten befristet, also eine unheimlich hohe Quote und ich glaube man kann wirklich mit Fug und Recht vom Risikojob Wissenschaft sprechen. – Franziska Naether
Betroffen sind alle. Nicht nur Sozial- und Geisteswissenschaftler, auch in den Naturwissenschaften leiden Forscher unter prekären Arbeitsbedingungen. Das hat berufliche Konsequenzen, zum Beispiel, dass ein Doktorand seine Dissertation nicht beenden kann, weil sein Vertrag vorzeitig ausläuft. Doch auch privat schränken die Befristungen die Wissenschaftler ein.
Natürlich müssen die Leute alle sehen, dass sie davon ihren Lebensstandard finanzieren. Da ist es ganz oft so, dass Leute, die schon viele Qualifikationen erreicht haben, eine Doktorarbeit geschrieben haben oder vielleicht sogar schon eine höhere Qualifikation, eine Habilitation, dass die zum Teil in Wgs wohnen und einen studentischen Lifestyle haben, obwohl man da eigentlich schon viele Jahre drüber hinaus ist. Und das hat natürlich auch direkte Auswirkungen auf Familiengründung, auf Erwerb von Eigentum oder ähnliches. – Franziska Naether
Seit Ende 2014 tut sich was auf diesem Gebiet. Das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bildungswesen wurde aufgehoben, nun kann der Bund wieder Projekte an Hochschulen finanzieren. Ebenso wurde angekündigt, den Wissenschaftszeitvertrag zu reformieren, der die Befristung von wissenschaftlichen Mitarbeitern regelt. Und es ist noch ein weiterer Reformvorstoß hinzugekommen. Bildungsministerin Johanna Wanka hat angekündigt, ein Bundesprogramm auf den Weg zu bringen. Damit sollen mehr unbefristete Stellen geschaffen werden.
Finanziert wird das Programm durch Bundesgelder. Die Länder verfügen seit dem 1. Januar über 1,2 Milliarden Euro mehr, seit der Bund 35 Prozent der Bafög Zahlungen übernommen hat. Damit haben die Länder theoretisch Geld zur Verfügung, um Stellen zu schaffen. Aber Bildung ist Ländersache. Und eine Kontrolle der Länder ist schwer möglich. Robin Mishra vom Bildungsministerium nimmt die Länder in die Pflicht.
Was aber aus unserer Sicht nicht geht und was wir auch für sehr schwierig halten ist wenn Länder sozusagen damit nur eigene Sparmaßnahmen kompensieren oder es in ganz andere Bereiche geben. Da sind die Länder einfach gefordert zu handeln, die Hochschulen vor Ort müssen da auch auf ihren Rechten bestehen und müssen sagen, das ist eigentlich Geld, das für uns vorgesehen war. Wir sehen auch, dass einige Länder das machen aber die schwarzen Schafe, die ich hier nicht nennen will, aber die sollten dann auch durch die Öffentlichkeit daran erinnert werden an das was sie vereinbart haben. – Robin Mishra
Schwerpunkt des Programms liegt auf der Schaffung von Tenure Track Stellen, bei denen Juniorprofessoren nach einer Bewährungsphase die Chance auf eine unbefristete Professorenstelle haben. Der Pressesprecher des Bildungsministeriums, Robin Mishra, hält eine dauerhafte Anstellung aller wissenschaftlichen Mitarbeiter für wenig sinnvoll und erklärt den Zweck von Tenure Track-Stellen.
Was geschaffen werden soll mit dem Tenure Track Modell ist einfach eine frühzeitige Planbarkeit. Das Problem ist ja überhaupt nicht, dass jemand, der einmal in der Wissenschaft war keinen Job mehr findet. Das Problem ist nur, dass Lebensentscheidungen zu weit nach hinten gelegt werden. Dass man vielleicht dreißig, Anfang vierzig ist und dann merkt, es klappt nicht. Und da ist eben an einer Stelle mötig, dass man wesentlich früher das Signal gibt, es kann und es wird klappen mit der Professur. Und anderen vielleicht das Signal gibt, es wird nicht klappen, du hast aber jetzt eben diese Stelle noch eine gewisse Zeit und kannst dir jetzt schon eine Brücke bauen in die Wirtschaft, in die Universitätsverwaltung, in ein Ministerium. Also, dass einfach Lebensentscheidungen nach vorne verlegt werden. – Robin Mishra
Franziska Naether von der Mittelbauinitiative Leipzig begrüßt den Vorstoß von Ministerin Wanka grundsätzlich. Kritisch sieht sie allerdings die Konzentration auf die Tenure Track Stellen. Naether sieht nach wie vor eine Vernachlässigung des akademischen Mittelbaus, der zwischen Studierenden und Professoren agieren.
Das Problem an solchen Tenure Track Stellen ist, dass sie auch wieder eine Umwandlung von wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen in Professorenstellen anstrebt. Das heißt es gehen also Stellen aus dem akademischen Mittelbau dann wieder verloren zu Gunsten der Professuren. Was wir eigentlich brauchen, und deshalb greift der Vorschlag von Frau Wanka meines Erachtens zu kurz, was wir eigentlich brauchen ist ein gut funktionierender akademischer Mittelbau, das ist so wie das mittlere Management in einer Firma, in einem Konzern. Und da fehlts in Deutschland hinten und vorne. Nicht jeder ist für die Professurlaufbahn geschaffen, nicht jeder möchte das. Viele möchten auch wirklich Grundlagenforschung betreiben. Und deshalb ist auch Frau Wankas Vorschlag zunächst zu begrüßen, aber nicht in allen Punkten zu unterstützen. – Franziska Naether
Bis das Bundesprogramm von Johanna Wanka Früchte tragen kann, ist es ohnehin noch ein weiter Weg. Der nächste Schritt ist ein Gespräch mit den Ländern am 17. April.