Stellen Sie sich mal vor, Sie sind der Boss einer kriminellen Organisation. Der Handel mit Heroin, Crystal Meth oder Koks ist Ihnen mittlerweile zu riskant geworden. Was machen Sie also? Naja, Sie haben ein paar Chemielabore in der Hinterhand und das Leben anderer Menschen ist Ihnen egal: Warum starten Sie nicht in das Geschäft mit Medikamentenfälschungen?
Die lassen sich ganz entspannt und öffentlich im Internet vertreiben. Zudem ist das Geschäft unheimlich lukrativ. Während nach Expertenschätzungen die Gewinnspanne bei Heroin schon bei ca. 2.400 Prozent liegt, bringen gefälschte Arzneimittel noch einmal fast das Zehnfache.
Lebensgefahr durch Medikamentenfälschungen
Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass es sich mittlerweile weltweit bei zehn Prozent aller Arzneimittel um Medikamentenfälschungen handelt. In Teilen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas liegt dieser Wert bei mehr als 30 Prozent.
Das Problem ist nicht neu. Bereits 1995 starben 2.500 Menschen in Niger, weil ihnen ein gefälschter Impfschutz gespritzt worden war. Von einer Million Malaria-Toten im Jahr werden im Schnitt 200.000 mit verunreinigten oder nachgemachten Arzneimitteln behandelt, die nicht helfen.
Auch in Europa und Deutschland wächst der Markt mit Medikamentenfälschungen. Anfangs waren vor allem sogenannte Lifestyle-Mittel hoch im Kurs, wie Potenzförderer, Muskelaufbaupräparate oder Schlankheitsmittel.
Derweil werden aber auch Krebsmedikamente, Medikamente zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Beschwerden, Antibiotika, Schmerz- sowie Verhütungsmittel und andere rezeptpflichtige Medikamente angeboten.
Zoll, Polizei und securPharm
Ein Kaufgrund im Internet ist auch der Preis. Besonders in Deutschland kosten Medikamente vergleichsweise mehr als unseren europäischen Nachbarn wie den Niederlanden, Frankreich oder Schweden. Um Geld zu sparen, schauen Kunden im Internet nach preisgünstigen Alternativen.
Kein Mensch würde, wenn er wüsste, wie gefälschte Tabletten hergestellt werden, diese auch einnehmen. – Mona Tawab, Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker
Bisher konnten die Plagiate meist nur vom Zoll aus dem Verkehr gezogen werden. Selten gelingen Fahndungserfolge, bei denen Banden und Labore, die hinter der Produktion stecken, mit hochgenommen werden.
Auf der Grundlage einer EU-Richtlinie gegen Medikamentenfälschungen hat nun eine Gruppe von Arzneimittelherstellern, Pharmagroßhändlern und Apothekern in Deutschland die Initiative securPharm gestartet. Ziel ist es, ein System zu entwickeln, mit dem sich in Zukunft die Echtheit von Arzneimitteln direkt in der Apotheke überprüfen lassen.
Über Medikamentenfälschungen in Deutschland hat detektor.fm-Moderator Christian Eichler mit Mona Tawab gesprochen. Sie ist stellvertretende wissenschaftliche Leiterin des Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker in Eschborn.
Redaktion: Jonathan Gruber