Überfischung? Kommt drauf an.
Harte Fakten zur Fischerei sind so schwer greifbar wie das Meerwasser. Je nach Quelle, Bezugsgrößen und Erhebungen gibt es unterschiedliche Ergebnisse. Allein die Definition „Überfischung“ kann verschieden interpretiert werden: Ist ein Bestand bereits überfischt, wenn er so klein geworden ist, dass er nicht mehr den maximalen Ertrag liefern kann? Oder ist er es erst dann, wenn er kurz vor dem Zusammenbruch steht?
Laut einer neuen Studie des Joint Research Centers ist das Mittelmeer zu 93 Prozent von Überfischung betroffen. Auch wenn die Zahlen nur das Mittelmeer betreffen, seien sie nicht weniger dramatisch, so Christoph Stransky vom Thünen Institut.
Sowohl das Mittel- als auch das Schwarze Meer würden weltweit die höchsten Werte aufweisen. Allerdings sind die restlichen Weltmeere ebenfalls betroffen, wenn auch nicht in solchem Ausmaß. Laut dem letzten Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) von 2013 sind etwa 31 Prozent der Weltmeere überfischt.
Nord-Süd-Konflikt
Gerade in den EU-Gewässern besteht eine große Differenz zwischen Nord und Süd. Die nördlichen Gewässer haben im Gegensatz zu Mittel- und Schwarzmeer einen Überfischungsgrad von 30 bis 40 Prozent, je nach Bezugsgröße. Das liege laut Christoph Stransky vor allem daran, dass große Unterschiede bei der Umsetzung der gemeinsamen Fischereipolitik der EU gemacht würden. Während zum Beispiel in Norwegen bei ungenügenden Fischereikontrollen saftige Strafen drohen, sieht das Ganze in südlichen Gewässern anders aus.
In der Fischereizone Norwegens halten sich in der Regel auch europäische Fischer anderer Mitgliedsstaaten an die Regeln. Denn die Strafen sind so drastisch, dass die Fischereiaktivität dann sofort nicht mehr lukrativ ist. – Christoph Stransky
Gerade die Fischerei im Mittelmeer ist gekennzeichnet durch viele kleine Fischereibetriebe mit vielen kleinen Booten, sodass sich die Umsetzung der Kontrollen hier schwieriger gestaltet.
Auf Etiketten achten
Ganz auf Fisch braucht man laut Christoph Stransky nicht zu verzichten, denn dem Verbraucher wird einiges an Informationen auf der Verpackung zur Verfügung gestellt. Vor allem das Fanggebiet und die Fangmethode sollte sich der Käufer genauer anschauen.
Das alles liefert eine Grundlage für die richtige Entscheidung. Davor muss man sich zugegebenermaßen mit dem Thema auseinandersetzen. Die einfachere Variante zur Entscheidungshilfe sind bekannte Gütesiegel.
Das MSC-Siegel (Marine Stewardship Council) ist allerdings bei Umweltschutzorganisationen in Verruf geraten, da dort nur die Einschätzung einer privaten Organisation zur Ausstellung des Siegels genügt. Gleichwohl ist es besser als nichts, seinen Einkauf nach dem MSC- beziehungsweise ASC-Siegel für nachhaltige Aquakultur zu richten, anstatt unbedarft Fisch einzukaufen.
Wie es um die Weltmeere wirklich bestellt ist und worauf wir beim Fischkauf achten sollten, das hat detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt im Gespräch mit Christoph Stransky herausgefunden. Er arbeitet am Thünen Institut, einem Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei.
Redaktion: Bernadette Huber