Einnahmen und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Diesem Grundsatz ist entsprochen, wenn die Einnahmen aus Krediten 0,35 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. Zusätzlich sind bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung symmetrisch zu berücksichtigen. Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der nach den Sätzen 1 bis 3 zulässigen Kreditobergrenze werden auf einem Kontrollkonto erfasst; Belastungen, die den Schwellenwert von 1,5 vom Hundert im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt überschreiten, sind konjunkturgerecht zurückzuführen. Näheres, insbesondere die Bereinigung der Einnahmen und Ausgaben um finanzielle Transaktionen und das Verfahren zur Berechnung der Obergrenze der jährlichen Nettokreditaufnahme unter Berücksichtigung der konjunkturellen Entwicklung auf der Grundlage eines Konjunkturbereinigungsverfahrens sowie die Kontrolle und den Ausgleich von Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der Regelgrenze, regelt ein Bundesgesetz. Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden. Der Beschluss ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden. Die Rückführung der nach Satz 6 aufgenommenen Kredite hat binnen eines angemessenen Zeitraumes zu erfolgen. – Art 115,2 GG
Es ist nicht leicht, das Grundgesetz zu lesen. Geschweige denn, es zu verstehen. Wie das Beispiel mit Artikel 115 Absatz 2 zeigt, ist die deutsche Verfassung in Teilen ziemlich kompliziert. Nicht nur sprachlich, auch inhaltlich.
Verfassungsästhetik: Geht das auch besser?
Die Frage, die sich die beiden Laien Rabea Schloz und Hajo Schumacher deswegen gestellt haben: Ginge das nicht auch leichter? Und tatsächlich wird auch in der Rechtswissenschaft darüber diskutiert, über die sogenannte Verfassungsästhetik nämlich. Juristen und Juristinnen diskutieren schon länger darüber, wie verständlich das Grundgesetz sein muss. Ob es verständlich ist – auch für Laien – und ob wirklich all das, was in der Verfassung steht, auch wirklich da rein gehört.
Im Falle von Artikel 115 Absatz 2 meint zum Beispiel Horst Dreier, dass dieser Artikel ziemlich eindrucksvoll zeige, wie es nicht geht.
Grundgesetz: die Verfassung für alle
Dabei wäre es ratsam, die Verfassung so zu formulieren, dass sie – zumindest in groben Zügen – auch verstanden wird. Nicht nur von Juristen und Juristinnen, sondern auch von der Bevölkerung. In diesem Kontext ist die Verfassung eben nicht nur ein weiterer Gesetzestext, sondern die Grundlage der Demokratie in Deutschland. Würden Bürgerinnen und Bürger also mehr damit anfangen können, wenn sie reduzierter geschrieben wäre? Alexander Thiele glaubt schon.
Für die finale Folge des Grundgesetz-Podcasts „In guter Verfassung“ haben sich detektor.fm-Redakteurin Rabea Schloz und Hajo Schumacher in Göttingen getroffen. Gemeinsam mit Dr. Alexander Thiele und Prof. Dr. Horst Dreier haben sie vor Publikum über Verfassungsästhetik gesprochen.
Live Podcast „in guter Verfassung“ mit den Grundgesetz-Päpsten Dr. Alexander Thiele und Professor Horst Dreier sowie Podcast-Päpstin Rabea Schloz #perlenderfotokunst pic.twitter.com/eUgQHbnRUH
— hajo schumacher (@hajoschumacher) January 29, 2020