Der Weg vom Fördertopf zum Projekt ist weit
Es ist eine Menge Geld zu verteilen in den Kohleregionen. Insgesamt 40 Milliarden Euro fließen bis 2038 in den Strukturwandel, davon gibt der Bund 26 Milliarden selbst aus, für Infrastrukturprojekte und die Ansiedlung von Bundesbehörden in den Kohlerevieren. Die übrigen 14 Milliarden gehen an die Länder, rund ein Fünftel davon landet am Ende im Mitteldeutschen Revier und wird von Sachsen und Sachsen-Anhalt verwaltet. Aber bis das Geld in ein konkretes Projekt fließt, werden erst mal über Jahre Anträge geschrieben, Machbarkeitsstudien durchgeführt und Sitzungen abgehalten. Das alles soll, so will es das Kohleausstiegsgesetz, von den betroffenen Regionen selbst gemanagt werden. Und spätestens da wird es kompliziert.
Denn das Mitteldeutsche Revier erstreckt sich über mehrere Bundesländer, von denen alle eigene Strukturen schaffen, um Bundesgelder zu verteilen. Das Ergebnis: viele Arbeitsgruppen, Ausschüsse, Entwicklungsgesellschaften, Stabsstellen und Strategiepapiere. Und die heißen auch noch alle sehr ähnlich: Revierausschuss, Regionaler Begleitausschuss, Regionales Empfehlungsgremium, Agentur für Strukturentwicklung. Warum gibt es nicht eine einzige Stelle, einen Ausschuss, der diese Entscheidungen trifft? Henning Mertens von der Metropolregion Mitteldeutschland kennt den Prozess gut:
Das große Geld wird in Borna verteilt
Das wichtigste Gremium für die Fördermittelvergabe ist der Regionale Begleitausschuss. Dessen Vorsitzender ist Henry Graichen (CDU), Landrat im Landkreis Leipzig. Im Podcast erklärt er, wie eine Kommune an Fördermittel kommt: Bevor sie sich überhaupt bewerben kann, muss sie eine Projektskizze erarbeiten und eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben, um herauszufinden, wie teuer das Projekt wird und wie lange die Umsetzung dauert. All diese Informationen werden dann dem Regionalen Begleitausschuss vorgelegt.
Die Entscheidung, ob ein Projekt gefördert wird, trifft der Ausschuss dann anhand eines Punktesystems, das im Kohleausstiegsgesetz festgeschrieben wurde. Punkte gibt es zum Beispiel, wenn ein Projekt Arbeitsplätze schafft, der Nachhaltigkeit dient oder die demografische Entwicklung in der Region verbessert. Spricht der Regionale Begleitausschuss eine Empfehlung aus, kann die Kommune einen Förderantrag bei der Sächsischen Aufbaubank stellen — und erst wenn dieser Antrag erfolgreich ist, fließt am Ende auch Geld.
Dieser Prozess wird oft kritisiert: Die Vergabe sei zu intransparent, zu langwierig und obendrein ineffizient. Henry Graichen hält dagegen: Die Vergabe der Fördermittel folge zu Recht den strengen Regeln des Grundgesetzes.
In der neunten Folge von „Nach der Kohle“ nimmt detektor.fm-Redakteurin Joana Voss an einer wichtigen Sitzung des Regionalen Empfehlungsgremiums am Schladitzer See teil. Außerdem trifft sie in Borna den Vorsitzenden des Regionalen Begleitausschusses, Henry Graichen. Ist die Vergabe der Fördermittel zu Recht so kompliziert — oder ginge das auch einfacher?
„Nach der Kohle“ ist eine zwölfteilige Reportage-Serie vom Podcast-Radio detektor.fm. Neue Folgen erscheinen immer samstags. Der Podcast wird gefördert von der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien. Alle Folgen gibt es hier bei detektor.fm und unter anderem bei Amazon Music, Apple Podcasts, RTL+ und Spotify.