Snow heißt der erste Song auf dem neuen Album der englischen Musikerin Beth Orton. Schnee findet man in Los Angeles zwar nicht so häufig, aber für Beth Orton hatte die Stadt und die Natur rundherum trotzdem einen großen Einfluss auf ihr neues Album Kidsticks. Vor allem weil sie ihre vertraute Heimat London für eine Weile hinter sich gelassen und sich entwurzelt hat.
Wenn man schon älter ist und sich ein Leben aufgebaut hat, eine Familie hat und dann in eine neue Stadt zieht, kann das ein ziemlicher Kulturschock sein. Als würde man seine Geschichte und Identität aufgeben. Aber das kann sich auch positiv auswirken. Mittlerweile wohnen wir wieder in London, aber diese Entwurzelung zu dem Zeitpunkt hatte einen großen Einfluss auf das Album.
Die Gitarre war ausgereizt
Seit Mitte der 90er macht Beth Orton Musik. Vor allem ihr Mix aus Folksongs und elektronischen Elementen hat sie bekannt gemacht. Sie hat mit William Orbit und den Chemical Brothers zusammengearbeitet. Auf den letzten beiden Alben sind ihre Songs deutlich folkiger ausgefallen, sie hatte Unterricht bei dem Folksänger und Gitarristen Bert Jansch genommen. Danach war das Instrument aber für sie ausgereizt. Sie wollte etwas ganz anderes machen und hat angefangen, Keyboard zu spielen.
Jahrelang habe ich Songs auf der Gitarre geschrieben und daran gearbeitet, eine gute Gitarristin zu sein und mein Handwerk zu perfektionieren. Nachdem ich dann bei Bert Jansch Unterricht genommen hatte, habe ich diesen vertrauten Weg verlassen und etwas komplett anderes gemacht. Das finde ich mutig.
Kidsticks ist für Beth Orton gleichzeitig ein Neuanfang und Rückkehr zu ihren musikalischen Wurzeln. Die Songs basieren auf einfachen Loops, die sie mit dem Produzenten Andrew Hung in einer Garage zusammengebastelt hat. Danach hat sie viele unterschiedliche Musiker aus Los Angeles dazugeholt, die sich alle eingebracht haben.
Ich habe das Album „Kidsticks“ genannt, weil ich erst mal überhaupt keine Erwartungen daran hatte. Mein Co-Produzent Andrew Hung und ich haben in einer Garage angefangen, daran zu arbeiten. Wir sind mit einer kindlich-naiven Haltung rangegangen. Manche von den Sachen klangen so, als würden Kinder mit Stöcken auf Flaschen hauen, also Musik mit den Sachen machen, die sie um sich herum finden. Es war erst nur ein Arbeitstitel, aber er ist geblieben. Ich fand ihn einfach sehr passend.
Ruhelos und nervös
Die Musik auf Kidsticks ist ruhelos und nervös. Dance-Beats, Keyboard-Riffs und Samples schwirren um Ortons Stimme wie Insekten um eine Straßenlaterne. Von der perfektionistischen Herangehensweise ihrer letzten Alben musste sie sich verabschieden, sagt Orton. An ein schickes Studio war nicht zu denken.
Ich hätte noch weiter machen können, aber ich hatte kein Geld mehr. Ich konnte nichts mehr daran machen. Und als ich es dann doch versucht habe, hat sich das Universum irgendwie gegen mich verschworen. Alles, was ich dann probiert habe, funktionierte aus irgendwelchen Gründen nicht und Sachen gingen schief. Da wusste ich: Ok, das Album bleibt so.
Manchmal muss man sich einem Kulturschock aussetzen und die gewohnte Routine hinter sich lassen. Und manchmal kommt dabei etwas unerwartet Schönes heraus. Im Fall von Beth Orton hat sich das Mutigsein gelohnt.