Kele Okereke ist übermüdet. In einem anonymen Berliner Bürogebäude gibt der Bloc Party-Frontmann an diesem grauen Dezembertag ein Interview nach dem anderen. Am Abend geht’s weiter nach Brüssel, morgen dort dann das Gleiche von vorn. Wenn er aber über das neue Bloc-Party-Album Hymns spricht, ist die Müdigkeit kurz vergessen. Nach der Trennung von Bassist und Schlagzeuger, war erstmal nicht klar, ob die Band weiter existieren würde. Aber die neuen Songs haben Kele und Gitarrist Russell Lissack inspiriert und der Band neues Leben eingehaucht.
Wir waren erst nicht sicher, ob wir als Band weitermachen sollen. Aber mit Russell Musik zu machen, ist einfach großartig. Er zeigt mir immer noch völlig neue Dinge. Wir haben gemerkt, dass wir mit Bloc Party noch nicht fertig sind. Es ist noch Leben in dieser Band und deshalb machen wir weiter.
Weniger fieberhafte Dringlichkeit
Bassist und Schlagzeuger sind mittlerweile ersetzt, die ersten Konzerte in neuer Besetzung wurden auch schon gespielt. Bei der Gelegenheit haben Bloc Party auch einige der neuen Songs vorgestellt, deren Sound sich von den älteren Stücken deutlich unterscheidet. Auf „Hymns“ gibt es nicht mehr die für Bloc Party typische, fieberhafte Dringlichkeit in den Songs. Es geht gemäßigter zu, reflektierter. Für Kele Okereke ist das eine Reaktion auf das letzte Album „Four“.
Das letzte Bloc Party Album „Four“ klang sehr aggressiv. Nachdem wir damit zwei Jahre getourt sind, haben sich die Songs für mich fremd angefühlt. Mein Geschmack hat sich einfach verändert. Ich wollte etwas, das wärmer und freundlicher klingt und den Hörer nicht so vor den Kopf stößt.“
https://www.youtube.com/watch?v=W2daVftrHng
Die Musiker zeigen sich experimentierfreudig. Gitarrist Russel Lissack zum Beispiel manipuliert sein Instrument bis zur Unkenntlichkeit, wie etwa im Albumopener „The Love Within“. Die wabernden Synthesizer, die sich durch den gesamten Song ziehen sind gar keine, es ist eine Gitarre.
Spirituell aber nicht religiös
Das Album ist eine Wiedergeburt für die Band, und passend dazu geht es in den Texten auch recht spirituell zu. Kele Okereke ist in einem sehr religiösen, römisch-katholischen Haushalt aufgewachsen, lehnte die Institution Kirche aber schon früh ab. Dennoch ist er immer noch fasziniert von sakralen Gebäuden und religiöser Symbolik. Die Songs auf Hymns sind zwar spirituell, aber es geht nicht um Religion, betont Kele.
Es gab in unserer Musik schon immer Bezüge zur Spiritualität, aber eher am Rande. Ich bin nicht religiös, wollte aber Musik machen, die so eine heilige Aura hat. Das war eine Herausforderung. Damit das klappt, müssen die Songs persönlich sein. Mir ist meine Verbindung zur Natur wichtig, die Natur ist für mich etwas Göttliches. Deswegen geht es in den Songs auch viel um Mond, Sonne, Erde usw.
Stimmen im Einklang
Um das Konzept von Spiritualität noch zu unterstreichen, hat die Band bei einigen Songs mit einem Chor zusammengearbeitet. Chöre hat er schon immer gemocht, erzählt Kele.
Für einen Sänger hat es etwas Magisches, wenn mehrere Stimmen im Einklang singen. Wir wussten, dass wir das Album „Hymns“, also Hymnen, nennen werden und da hab ich gedacht, dass ein Chor doch wunderbar dazu passen würde. Es sollte aber nicht so ein klischeehafter Gospelchor oder so etwas sein. Ich wollte, dass es anders und neu klingt. Auf „Only he can heal me“ hört sich der Chor ein bisschen Barock-mäßig an. Das gefällt mir sehr gut. Ich finde, es klingt ganz anders, als das was Chöre normalerweise so singen.
Mit Hymns meldet sich eine fast schon totgesagte Band laut und deutlich zurück, auch wenn es ein vergleichsweise leises Album ist. Der Neuanfang ist Bloc Party gelungen, der warme, freundliche Sound steht ihnen gut zu Gesicht. Zusammen mit Bloc Party-Klassikern wie Helicopter dürfte das auf jeden Fall großartige Live-Shows ergeben.