Eine Stimme mit Gänsehaut-Garantie und ein Hang zum düster-epischen Monumentalklang: Dafür kennt und mag man Editors. Für ihr fünftes Album haben sich Tom Smith und Mitstreiter von der Abgeschiedenheit der schottischen Westküste inspirieren lassen. Und „In Dream“ klingt tatsächlich wie die Landschaft, in der es entstanden ist: rau und ein bisschen spröde, aber auch mit atemberaubend schönen Momenten.
Das neue Album ist Nummer zwei in der neuen Besetzung nach dem Weggang von Keyoarder Chris Urbanowicz – und das erste, bei dem die Band komplett auf einen Produzenten verzichtet hat. Keine bewusste Entscheidung, sagt Sänger Tom Smith – es hat sich eher zufällig so ergeben.
Wir sind mit ein paar Demos und Ideen für einen Monat nach Schottland gefahren und als wir danach die Aufnahmen nochmal gehört haben, dachten wir, das muss eigentlich nur noch abgemischt werden. Wir waren aber nicht mutig – oder verrückt – genug, von vornherein zu sagen, wir wollen das selbst produzieren. Du weißt ja erst, dass du etwas kannst, wenn du es tatsächlich machst.
Neue Arbeitsweisen
Die fünf von Editors waren nicht nur überrascht von ihren eigenen Producer-Qualitäten, sondern auch davon, wie schnell die neuen Songs entstanden sind. Bisher funktionierte die Band ja vor allem nach dem klassischen Mastermind-Modell mit Tom Smith als Kopf und alleinigem Songschreiber. Für „In Dream“ haben Editors den Status Quo ein bisschen aufgemischt, es gab mehr Ideen vom Rest der Band.
Auch in anderen Punkten hat sich die Herangehensweise geändert. Beim Vorgängeralbum „The Weight of your love“ waren Editors noch mitten im Eingewöhnungsprozess mit den zwei neuen Bandmitgliedern Justin Lockey und Elliott Williams. „Damals ging es vor allem darum, wieder ein Gemeinschaftsgefühl als Band zu entwickeln“, erinnert sich Tom Smith. Das Album entstand daraufhin mehr oder weniger aus dem Proberaum heraus; die Songs waren fertig, bevor es ins Studio ging. Diesmal sollte das Ganze etwas weniger vorhersehbar sein.
Wir wollten es diesmal ein bisschen zeitgemäßer angehen. Für die letzte Platte waren wir alle gemeinsam in einem Proberaum und haben dieses Bandgefühl aufgenommen. Ich mag das Wort „experimentieren“ eigentlich nicht, aber wir wollten schon etwas Neues ausprobieren. Es ging weniger darum, alles am Ende gut live spielen zu können, wir wollten vor allem die Songs entwickeln und sehen, wohin uns das bringt.
Keine Menschen, kein Internet, keine Ablenkung
Dieser „Mal sehen, was passiert“-Impuls war es dann auch, der die Band in die windige Insellandschaft im Westen Schottlands verschlagen hat. Keine anderen Menschen, kein Internet, keine Ablenkung – abgesehen von der dramatischen Landschaft direkt vor dem Studiofenster.
Es gab da dieses riesige Panorama-Fenster mit Blick aufs Meer und die Berge – einfach überwältigend. Manchmal, wenn wir so langsam ein Gefühl dafür bekamen, in welche Richtung ein Song sich entwickelt und gleichzeitig sah man die Sonne hinter den Bergen untergehen – das war wirklich magisch.
Dass sich einige dieser magischen Momente jetzt auch auf dem Album wiederfinden, ist die größte Leistung dieser ersten Editors-Eigenproduktion. Die neuen Songs sind nach wie vor episch, wenn auch nicht unbedingt stadiontauglich. Anders als frühere Platten zelebriert „In Dream“ über große Strecken nämlich eher eine minimalistische Version der typischen Editors-Melancholie. Der Gesang von Tom Smith bekommt vor dieser zurückgenommenen Sound-Kulisse noch mehr Gewicht – gekoppelt mit den wie gewohnt eher düsteren Texten ist das fast schon ein Zuviel an emotionaler Intensität. Falls das doch ein paar Fans vergrätzt, sagt Tom Smith, dann soll es eben so sein.
Mit einigen der neuen Songs könnten wir schon ein paar Fans vergrätzen, aber andererseits finden wir damit vielleicht auch neue Fans. Wir finden das Album großartig – und nur darauf kommt‘s an.