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Album der Woche: Jónsi – Go

Vor ein paar Tagen ist in Island ist ein Vulkan ausgebrochen. Wollte man die Tradition von Berichten über isländische Bands fortführen, müsste man jetzt daran anknüpfen und von brodelnden Geysiren über spuckende Gletschervulkane den metaphorischen Bogen zu Jónsi schlagen. Letztendlich ist dem Sigur Rós-Sänger aber einfach nur ein gutes Pop-Album gelungen.

Eigentlich wollte Jón Thor Birgisson – kurz Jónsi – die Sache ganz ruhig und reduziert angehen; die Auszeit seiner Band nutzen, um überschüssige Ideen aufzunehmen, maximal mit Akkustikgitarre und Stimme. Ein Songwriteralbum sollte es werden. Doch dann kam der gerade mal 28 Jahre junge Komponist Nico Muhly ins Spiel, der u.a. schon mit Grizzly Bear und The National zusammenarbeitete, und verwandelte Jónsis Song-Skizzen in großspurigen Pop. Angebrachte Stichwörter sind: Bombast, Opulenz, Überschwang.

Jónsis Solo-Debüt Go ist durchtrieben von cineastischen Streicher- und Bläserarrangements, verspielten Flöten, orchestraler Percussion und anmutigen Background-Chören. Respekt vor dem, der bei dieser Vielzahl von Audiospuren den Überblick im Tonstudio behielt. Konsequenterweise saß Jónsi zusammen mit seinem Freund Alex Somers selbst an den Reglern. Mit einer Menge Experimentierfreude bauten die beiden monströse Soundcollagen, die weit mehr als gewöhnliche Instrumentierungen zu bieten haben. So kann ein Reisekoffer schon mal als Bass Drum dienen, oder das kaum wahrnehmbare Surren eines Bienenschwarms das i-Tüpfelchen im Refrain sein. Hauptsache die Sounds sind echt und kommen nicht aus der Trickkiste virtueller Klangerzeuger. Dieser Anspruch auf tonale Authentizität geht im Song Hengilás sogar so weit, dass man das Luftholen der Bläsersektion in aller Deutlichkeit hören kann und meint, man stünde mitten im Aufnahmeraum. Organischer geht’s nicht mehr.

 

Was sich auf der letzten Sigur Rós-Platte bereits andeutete, setzt Jónsi auf seinem Solo-Debüt konsequent fort. Es dominiert die Vorliebe zum vorantreibenden Popsong. Die Bass Drum (oder der Reisekoffer) stampft den Vierviertel, eine Flöte spielt leichtfüßige Peter-und-der-Wolf-Melodiebögen, dazu singt Jónsi in gewohnter Falsett-Manier: „Go scream / Do shout / Make an earthquake“ – Euphorie in Reinform. Zwar wohnt den Jónsi-Songs hier und da auch jene Theatralik inne, die man von Sigur Rós kennt. Das ist oftmals einen Hauch vom Kitsch entfernt, klingt aber insgesamt lebendiger und dringlicher als die elegischen 7-Minüter der Isländer. Demnach scheint es nur logisch, dass Jónsi mit Go nun auch die erreicht, denen Sigur Rós bisher zu behebig und verträumt waren. Spätestens wird sich das auf den Konzerten der anstehenden Welt-Tournee zeigen, die den Vorankündigungen nach zu urteilen ein audiovisuelles Spektakel versprechen.

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