Kamasi Washington ist ein eindrucksvoller Typ – ein wilder Haarkranz auf dem Kopf, wallende Gewänder aus dem Senegal am massigen Körper, dicke Silberringe an den Fingern. Und auch in seiner Musik heißt es: Klotzen, nicht kleckern. Das hat er schon auf seinem ersten Album The Epic unter Beweis gestellt. Damit hat er 2015 quasi über Nacht den Jazz aus seiner Nische „Musik für distinguierte ältere Herren“ herausgeholt. Plötzlich war es wieder cool, Jazz zu hören. Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass Washington aus Los Angeles stammt, Tür an Tür mit Westcoast-Hiphop aufgewachsen ist und in seiner Musik diese Herkunft nicht leugnet. Außerdem hat er als Saxophonist und Arrangeur an Kendrick Lamars bahnbrechendem Album To Pimp a Butterfly mitgewirkt, was ihn auf den Radar vieler Leute gebracht hat, die sonst mit Jazz nicht so viel am Hut haben.
Anspruchsvoll aber zugänglich
Trotz der epischen Länge seiner Alben von drei bzw. zweieinhalb Stunden ist seine Musik zwar anspruchsvoll, aber auch zugänglich. Er bezieht sich darin auf Leute, die auch dem Nicht-Jazzhead ein Begriff sind, wie John Coltrane, Sun Ra oder Herbie Hancock. Wie schon auf The Epic sind auch auf Heaven and Earth seine Band, ein 32-köpfiges Orchester und ein Chor zu hören.
„Earth“ steht bei Kamasi Washington für die Welt, wie wir sie von außen sehen, „Heaven“ ist die innere Welt. Dabei gibt es auch politische Töne, wie gleich im ersten Stück „Fists of fury“ – einer Adaption der Filmmusik des gleichnamigen Bruce Lee-Films, der in Deutschland „Todesgrüße aus Shanghai“ hieß. „Our time as victims is over, we will no longer ask for justice, we’ll take our retribution“, singen da Patrice Quinn und Dwight Trible und man ist gedanklich sofort bei Rassismus und Polizeigewalt.
Liebliche Melodien und Chaos
Mit Spielzeiten zwischen sechs und zwölf Minuten sind die Stücke auf Heaven and Earth ausladend und ändern ständig ihre Gestalt. Verschwenderische Grandesse, verschwitzte Latin-Rhythmen, Improvisation – liebliche Melodien und Chaos liegen oft nur ein paar Takte voneinander entfernt. Und natürlich gibt es wieder reichlich Anknüpfungspunkte an Pop, Soul, Hiphop und R’n’B.
„Jazz für Leute, die keinen Jazz mögen“ – was ein wenig despektierlich klingt, ist im Fall von Kamasi Washington sehr positiv gemeint. Seine Musik ist nicht akademisch, sie ist für alle da. Wenn man sich auf Heaven and Earth einlässt, kann man sogar entdecken, dass Jazz doch gar nicht so uncool und verkopft ist, wie einem das distinguierte ältere Herren immer weis machen wollten.