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Album der Woche: Radiohead – The King of Limbs

Eines neues Radiohead-Album – das ist nicht nur ein musikalisches Highlight. Spannend ist auch immer wieder, was drum herum passiert. Seit Freitag kann man sich „The King Of Limbs“ auf der Website der Band herunterladen. Seitdem spuckt die Netzwelt im Minutentakt Schnellschuss-Rezensionen und Lied-für-Lied-Analysen aus. Diese Schnelllebigkeit kann der Tiefe dieser Musik gar nicht gerecht werden.

Für den Weg zur Arbeit braucht der Durchschnittsdeutsche laut einer Studie rund 33 Minuten. Gerade mal vier Minuten länger ist das neue Album von Radiohead. Fast könnte man meinen, die Mannen um Thom Yorke haben ihr neues Werk auf den Musikhörer des 21. Jahrhunderts zugeschnitten: Morgens in der U-Bahn fix das Smartphone gezückt und einen Durchlauf The King Of Limbs – kein Problem. Die ein, zwei Gläser Rotwein am Abend spart man sich lieber für die x-te Staffel der neuen HBO-Serie auf, die seit ein paar Wochen online ist. Das kürzeste Album der Bandgeschichte verlangt jedoch Güter, die in der Internetgesellschaft immer knapper werden: Ruhe, Geduld und viel Zeit.

The King Of Limbs ist wie eigentlich jedes Radiohead-Album seit Kid A erst mal etwas unnahbar. Es beginnt mit verschwommenen Piano-Phrasen, zerhackten Loops, einem vor sich hin stolpernden Beat und Thom Yorke, der wie eh und je auf den Vokalen kaut, sie kaugummigleich in die Länge zieht, bis sie sich irgendwo im Raum verlieren, in einem schier endlosem Echo.

Etwas konkreter wird es dann schon in den folgenden Stücken, Morning Mr. Magpie und Little By Little, in denen vor allem Schlagzeuger Phil Selway und Gitarrist Jonny Greenwood ihre Spielfreude ausleben. Der Song Lotus Flower lebt von seinem immer gleichen Basslauf, der im Einklang mit dem Gesang etwas Tranceartiges hat und an Yorkes Soloalbum The Eraser erinnert. Ein Höhepunkt ist sicher die mit angezogener Handbremse dargebotene Piano-Ballade Codex, die sich mit dezenter Orchester-Begleitung zu erhabener Schönheit emporschwingt. Insgesamt bestimmen vertrackte Rhythmen, sperrige Loops und Formlosigkeit die neuen Radiohead-Songs. Umso schöner sind die kurzen Momente, in denen Einfachheit durch die dicht verwobene Komplexität der Arrangements lugt.

Es wäre unsinnig, über The King Of Limbs zu urteilen, zwei Tage nach dem ersten Hören. Faszinierend ist es aber schon jetzt, wie sich mit jedem Durchlauf neue Hörwelten erschließen. Faszinierend ist auch der Widerspruch: Radiohead machen Musik, die einer großen Aufmerksamkeitsspanne bedarf, treffen aber den Nerv einer Generation, der genau das abgesprochen wird. Den Weintrinkern wird’s egal sein. Die lehnen sich zurück, beobachten wie The King Of Limbs in einem ekstatischen Meer von abermillionen „Gefällt-mir-Daumen“ verschwimmt und freuen sich heimlich auf ihr haptisches Glückserlebnis Ende März. Dann nämlich erscheint das neue Radiohead-Album auf CD und Vinyl.

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