Gestern noch Kandidat in einer Talentshow, heute schon das nächste große Ding. Wie schnell so etwas gehen kann, konnten wir alle in den vergangenen Wochen am Beispiel von „unserem Star für Oslo“ Lena Meyer-Landrut miterleben. Aber auch abseits des Eurovision Song Contest dreht sich das Hyperad immer schneller und wirft dabei mal mehr, mal weniger viel versprechende Talente ins Medienrampenlicht. Gerade die englische Musikpresse bringt in diesem Wettbewerb gerne mal besonders schnell aufgeblasene Hypes hervor – manchmal jedoch entdeckt man in diesem Potpourri an neuer Musik tatsächlich etwas Besonderes.
Stornoway sind genau so eine Entdeckung: Im Juni letzten Jahres erschien ihre erste Single, es folgten Auftritte beim Glastonbury Festival und bei „Later…with Jools Holland“ und schon hatten es die Briten auf die Liste der aufregendsten Neuentdeckungen der BBC geschafft. Zurecht, denn es ist tatsächlich eine wahre Freude, dem Quartett aus Oxford zuzuhören. Brian, Ollie, Rob und Jonathan vereinen Folk, Pop und 60s-Charme und klingen dabei frisch und unverbraucht. Ihre Musik lässt unweigerlich englische Landschaften vor dem inneren Auge vorbeiziehen, mitsamt saftig grünen Wiesen, durchzogen von kleinen Steinmauern. Und dazu brauchen Stornoway weder eine kauzige Attitüde, noch struppige Bärte, die im Indiefolk zuletzt unentbehrlich schienen.
Ihre Songs pendeln zwischen Überschwang und Schwermut, klingen jedoch weder bombastisch noch überarrangiert. Schon der Opener Zorbing ist mit groovendem Bass und gutgelaunten Trompeten ein Ohrwurmkandidat. Harmoniegesänge in I Saw You Blink tragen die gute Laune weiter und man nimmt es Sänger Brian Briggs ab, wenn er singt: „I Caught The Sun On My Way Home“. Briggs Stimme erinnert dabei ein bisschen an Ben Gibbard von den amerikanischen Indiehelden Death Cab for Cutie, sie trägt die Melodien und unterstreicht die Wirkung der bilderreichen Texte. Selbst die festgefahrene Liebesbeziehung, die in dem Song Boats And Trains besungen wird, klingt bei Stornoway hinreißend. Auf bewegende Momente mit dichter Atmosphäre (The Coldharbour Road) folgen ein ungestümes Schlagzeug und Selbstironie (Watching Birds).
Aufgenommen wurden die Songs zum größten Teil im Heimstudio und auch produziert hat die Band ihre Platte selbst. Jeder Song sollte ein bisschen anders und einzigartig klingen, dafür suchten die Jungs nicht nur nach neuen Aufnahmetechniken, sie brachten sich sogar neue Instrumente bei. Gelohnt hat sich der Aufwand in jedem Fall, mit „Beachcomber’s Windowsill“ haben Stornoway ein mitreißendes und abwechslungsreiches erstes Album vorgelegt, das große Lust darauf macht, sich die Band live anzusehen.