Wer oder was ist das Biest? Ist es die Regierung, die kaputte Beziehung oder doch die Midlife-Crisis? Oder von allem etwas? Um es gleich vorweg zu nehmen: eine eindeutige Antwort geben The National auf ihrem neuen Album Sleep Well Beast nicht. Kein Wunder, für plakative Parolen sind sie ja nun wirklich nicht verschrien. Aber auch wenn The National nicht zur Revolution aufrufen, das politische Klima in ihrem Land und anderswo hat seinen Weg in die neuen Songs gefunden, erzählt Sänger Matt Berninger. Fake News, alternative Fakten und ähnlicher Nonsens erschweren die Kommunikation. Wie soll man miteinander reden, wenn man sich nicht mehr einig ist, was real ist und was nicht?
Heutzutage ist es schwierig, einfach ein Gespräch zu führen. Und das liegt unter anderem an Propaganda und daran, dass Geld Information kontrolliert. Auf dem Album geht es deshalb sehr viel darum, was Realität und Wahrheit ist. Ich will da nicht zu sehr ins Detail gehen, das passiert auch nicht auf der Platte. Aber ich glaube im Moment gibt es kaum einen Künstler, der nicht diese Ängste und Unsicherheit in seiner Kunst ausdrückt, ein bisschen wenigstens.
Man muss sich kümmern
Die Texte hat Matt Berninger gemeinsam mit seiner Frau Carin Besser geschrieben. Was umso interessanter ist, da sie sich – wie so oft – um Beziehungen drehen, sie in Frage stellen oder ihr Ende fürchten. Man müsse sich um Beziehungen, seine Ehe, aber auch um Freundschaften kümmern, sagt Matt Berninger.
Die Songs sind eine Art des Kümmerns. Um eine Ehe muss man sich kümmern. Und um eine Band muss man sich auch kümmern. Ansonsten stirbt sie, trocknet aus. Und man muss sich darum bemühen, sie gießen mit Liebe, Geduld und Raum.
Aufgenommen haben The National die Songs im Long Pond Studio, das sich Gitarrist Aaron Dessner in der Nähe der Kleinstadt Hudson im Bundesstaat New York gebaut hat. Sie wollten alles etwas lockerer angehen. Das hört man nicht auf Anhieb, zunächst erklingt auf Sleep Well Beast eher Altvertrautes: getragene Stücke mit dezenter Orchestrierung, Matt Berningers Bariton, dramatisches Gitarrengesäge.
Der Song muss noch nicht zu Ende sein
Dann zieht das Tempo aber doch an und The National ergehen sich zum Beispiel in ausgiebigen Gitarrensoli – das hat man so von ihnen noch nicht gehört. Laut Bassist Scott Devendorf hat das unter anderem mit einem ihrer Seitenprojekte zu tun – dem Grateful Dead-Tribute-Album, das Aaron und Bryce Dessner kuratiert haben. Danach hätten sie sich gedacht: was soll’s, der Song muss hier noch nicht zu Ende sein.
Aaron und Bryce können super Gitarre spielen, aber bislang hat das nicht so gut zu unserem Stil gepasst. Der ist einfach etwas zurückhaltender. Aber live hat es diese Gitarrensolo-Momente schon gegeben. Und nach dem Grateful-Dead-Tribute-Projekt waren wir solchen Sachen gegenüber wohl einfach aufgeschlossener.
Ein paar mehr dieser „sich gehen lassen“-Momente hätten Sleep Well Beast an der ein oder anderen Stelle gut getan. So bleibt die zugegebener Maßen schon sehr hoch liegende Latte genau da wo sie ist. Ein bisschen schade einerseits, aber wenn The National das machen, was sie gut können, ist das ja auch nicht das Schlechteste.