Ruban Nielson stapelt gerne tief. Oder warum sonst sollte man seine Band ausgerechnet Unknown Mortal Orchestra nennen, also unbekanntes sterbliches Orchester? Überhaupt scheint sich Nielson für die Regeln des Musikbusiness nicht sonderlich zu interessieren. In einem Interview vom Oktober letzen Jahres erzählt er, dass die Welt eigentlich nicht noch mehr Musik braucht. Und auf die Frage, was denn sein schlimmster Job gewesen sei antwortete der 32-Jährige: Kellner. Denn er könne einfach nicht so gut mit Menschen umgehen.
Schon seit über zehn Jahren macht Ruban Nielson Musik. In seiner Heimat Neuseeland spielte er mit seinem Bruder zusammen in der recht erfolgreichen Punkband The Mint Chicks. Die Band löste sich auf, als Nielson 2010 nach Portland umzog. Dort lebte er mit seiner Familie eine Zeit lang in einer Jurte, also in einem großen Zelt.
Während der Tour zum ersten Album seiner Band erhielt er einen etwas beunruhigenden Anruf von seiner Frau. Das Feuerholz war ausgegangen und sie hatte kein Geld, neues zu kaufen. Was sich ein bisschen nach Sozialdrama a là Charles Dickens anhört, hat vor allem mit Nielsons Sturheit zu tun. Wochenlang hatte er sich geweigert, einen Plattenvertrag zu unterschreiben. Aber die Gesundheit seiner Familie wollte er dann doch nicht auf’s Spiel setzen. Das selbstbetitelte Debütalbum erschien 2011 auf Fat Possum Records.
Die Platte erhielt viel Applaus von den einschlägigen Musikblogs, Unknown Mortal Orchestra spielten im Vorprogramm von Grizzly Bear. Während der vielen Wochen auf Tour hatte Ruban genug Zeit, um neue Songs zu schreiben. Offensichtlich hat ihm das Heimweh übel mitgespielt, denn Einsamkeit und Isolation sind die Hauptthemen des neuen Albums. Gleich im ersten Song From the sun singt er in bester Lennon/McCartney Manier:
Isolation / It can put a gun in your hand
„Das Leben kann manchmal ganz schön ermüdend sein“, sagt Nielson, „dann will man einfach eine Pause, so einen Zustand zwischen Leben und Tod, wie wenn man sich schlafen legt und in seinen Träumen gefangen ist.“ Diesen Zustand beschreibt er in der Single Swim And Sleep. Er würde gerne schwimmen wie ein Hai, er könnte sich auf den Boden fallen lassen und verstecken.
I wish I could swim and sleep like a shark does / I’d fall to the bottom, and I’d hide till the end of time.
Für die musikalische Inspiration hat sich Ruban Nielson offenkundig einmal quer durch alle wichtigen 60er Psychedelia-Platten gehört. Dazu gibt’s ein paar funky Bläser, allerhand Wahwah-Hall auf der Gitarre und Nielsons verwaschenen Gesang. Unknown Mortal Orchestra sind der musikgewordene Instagram-Filter. Da überrascht es nicht, zu erfahren, dass Ruban Nielson das Album im Alleingang im Keller produziert hat. Er spielt auch alle Instrumente selbst, nur für’s Schlagzeug holt er sich ab und zu Unterstützung.
Auf Fotos sieht Ruban Nielson entweder aus wie ein Vorzeigehipster aus Portland mit Kassengestell und grässlich buntem Pulli. Oder er wirkt wie eine Art Hippieversion von Rob Stark aus Game of Thrones. Dazu passt auch das Plattencover. Das ist ganz in verblichenem Rotbraun gehalten. Darauf schwingt eine junge Dame in einem durchsichtigen Umhang ein Schwert. Trotz dieser irritierenden Inszenierung: II ist eine richtig gute Platte geworden. Und da Psychedelic-Mukke ja gerade ziemlich angesagt ist, wird sich Ruban Nielson für sein unbekanntes Orchester wohl bald einen neuen Namen einfallen lassen müssen.