+++Saitenwechsel wird präsentiert vom Gewandhausorchester.+++
Wer setzt eigentlich die Trends und Standards in der Musik? In Sachen Pop sind das oft die Importe aus den USA und Großbritannien. Und meist dauert es auch eine Weile, bis der Hype zu uns rüber schwappt. Kaum vorstellbar, dass es auch andersrum geht. In der Klassikwelt des 19. Jahrhunderts war aber genau das der Fall und die Trendsetter hießen nicht Beyoncé und Kanye West, sondern Beethoven und Mahler.
Boston Symphony Orchester goes Mahler
Gustav Mahler ist seit jeher ein großes Thema für das Boston Symphony Orchestra. Im Rahmen einer Partnerschaft mit dem Gewandhausorchester werden die Bostoner demnächst Mahlers dritte Sinfonie in Leipzig aufführen. Violinistin Elita Kang sagt, es sei immer wieder bewegend dieses epische Werk zu spielen, weil es so viele Ausdrucksformen beinhaltet.
Tatsächlich macht Mahler in seiner dritten Sinfonie die großen Themenfässer auf: Glaube, Liebe, Natur, der Mensch. In einem Brief an eine Freundin schreibt er:
Meine Symphonie wird etwas sein, was die Welt noch nicht gehört hat! Die ganze Natur bekommt darin eine Stimme und erzählt so tief Geheimes, das man vielleicht im Traume ahnt! Ich sage Dir, mir ist manchmal selbst unheimlich zumute bei manchen Stellen, und es kommt mir vor, als ob ich das gar nicht gemacht hätte.
Mahlers Dritte ist nicht nur thematisch üppig, sondern auch musikalisch. Allein schon die Besetzung: zu einem großen Orchester gesellt sich ein Frauenchor, ein Knabenchor und eine Alt-Solistin. Entsprechend breit gefächert ist auch die musikalische Bandbreite. Um all seine Vielseitigkeit in der dritten Sinfonie unterzubringen, nimmt sich Mahler Zeit. Viel Zeit. Je nach Interpretation dauert eine Aufführung zwischen 90 und 100 Minuten.
Mahlers 3. – Noch zeitgemäß?
Jetzt mal dahingestellt, ob sich diese wahnsinnig lange Sinfonie über gut anderthalb Stunden musikalisch trägt – passt so eine Musik noch in unsere Zeit? In eine Zeit, in der Aufmerksamkeitsspannen immer kürzer werden? In der alles, was gesagt werden muss in einen Tweet oder ein Instagram-Bild passt? Anthony Fogg vom Boston Symphony Orchestra sagt: Das passt heute mehr denn je.
Heute passieren so viele Dinge gleichzeitig, wir denken nur kurz nach oder versenden Tweets. Sich ein langes Stück anzuhören ist da eine andere Art, sein Gehirn zu beanspruchen. Wir brauchen das heute mehr denn je. – Anthony Fogg, Boston Symphony Orchestra
Man muss sich natürlich darauf einlassen, auf dieses epische Werk. Die dritte Sinfonie von Gustav Mahler ist nichts für zwischendurch. Doch wer sich dieser heftigen Musik einmal widmet, der wird belohnt, sagt Elita Kang. Im Idealfall mit einer Gänsehaut.
Redaktion: Eva Morlang